Der weltberühmte Privatdetektiv Felipe Malboro (Antonio Mayans) aus Kansas, Kansas, Star einer eigenen Buchreihe und einer Comic-Serie, hat finanzielle Probleme, denn so wirklich gut verkaufen sich seine Storys nicht. Deshalb nimmt er auch den Auftrag der jungen Mary Lucky (María del Mar Sánchez als „Mary Sad“) aus Ohio an, die nur 60 Dollar von ihren Eltern stehlen konnte aber verspricht, den Rest des ausstehenden Honorars mit ihrem Körper zu bezahlen. Felipe Malboro soll ihren Freund Macho Jim (José Llamas) finden, der nach Shit City gegangen ist, um dort als Go-Go-Boy zu arbeiten. Sonst aber ein netter, unschuldiger Junge, sagt Mary.
Felipe begibt sich nach Shit City, doch die Beschreibung, die ihm Mary von ihrem Freund gegeben hat, scheint so gar nicht zu dem Punk zu passen, der auch gar nicht so verschollen zu sein scheint, wie sie behauptet hat. Von seiner Hotelnachbarin María „La golfa“ Eugenia erhält er einen Hinweis. Macho Jim ist täglicher Gast in einer Bar, in der Felipes Freund Sam Chesterfield (Jesús Franco) Klavier spielt, zudem scheint er in einer Beziehung zur Nachtclub-Akteuse Genera Johnny Walker (Lina Romay), auch Butterfly genannt, zu stehen. Ob Macho Jim allerdings der Liebhaber von Butterfly oder deren Ehemann, dem Drogenhändler Saul Winston (Trino Trives) oder gar Beiden ist, bleibt zunächst unklar.
Bei seinen Nachforschungen stößt Felipe Malboro schnell auf Widerstand, eine Gruppe von Punks, die Macho Jim zu schützen sucht und einem steptanzenden Flamenco-Killer. Als Letzterer sich jedoch an seinem Freund Sam vergreift, sieht Malboro Rot, und auch seine Auftraggeberin Mary Lucky scheint ihm die Hucke vollgelogen zu haben, was ihre Motive betrifft.
Ganze 13 Filme drehte Jesús Franco im Jahr 1983 (veröffentlicht zwischen 1983 bis 1986), die Meisten davon äußerst preiswert produziert und mit Antonio Mayans als Dauergast, wie in so vielen anderen seiner Werke aus Achtzigern. „Los Blues de la calle Pop (Aventuras de Felipe Malboro, volumen 8)” entstand in Eigenproduktion von Francos Manacoa Films und hat sichtbar kein nennenswertes Budget gehabt – dennoch steht dem Franco-Fan hier eine Überraschung bevor.
„Los Blues de la calle Pop“ ist ziemlich innovativ, und man weiß gar nicht recht, wo man beginnen soll. Am besten bei der Titelfigur, gespielt von Antonio Mayans. Felipe Malboro ist lt. Story ein weltberühmter Privatdetektiv, bekannt durch eine Comic-Reihe und eine Romanserie. Deshalb auch das „Vol. 8“ im Zusatztitel, denn es gibt Hinweise, dass Malboro dem Drogenhändler Saul Winston bereits im 7. Band der Romanreihe begegnet sein soll. Natürlich lässt Franco es sich nicht nehmen, in dem hübsch gemachten Vorspann (Großstadtmotive mit rotem Kindergekrakel als Credits) auf die Romanvorlage von „David Khune“ hinzuweisen, die freilich nicht existiert.
Felipe Malboro ist zudem nicht der einzige Charakter des Films, der nach einer Zigaretten- oder Alkoholmarke benannt wurde, kreative Namen findet man noch mehr. Mein Favorit „Macho Jim“ – gespielt von José Lllamas - der in Zwischeneinblendungen immer mal wieder in Großaufnahme zu sehen ist, ein sehr amüsanter Anblick mit diesem absichtlich dämlichen Grinsen. Malboros Hotelnachbarin dagegen hat Pech, wurde nur mit dem Namen „La golfa“ (The Slut) bedacht, so nennt sie sich aber auch selbst. Kreativität findet sich zudem bei der Figur des Killers „Impasible Carter“, der sich nur Step- und Flamenco-Tanzend bewegt und dabei komisch und bedrohlich zugleich wirkt. Ein weiteres Plus, in dem dieser Film ein paar anderen aus dieser Franco-Phase überlegen ist, sind sowohl komische als auch ziemlich clevere Dialoge. Man möchte fast ein richtiges Drehbuch unterstellen. Hier mal ein Beispiel für die Komik des Films, die leider nur in der alten englischen Untertitel-Datei für den VHS-Rip korrekt wiedergegeben wurde: Mary Lucky erzählt Malboro von Butterfly, woraufhin dieser bemerkt, der Name käme ihm bekannt vor. Als Mary Lucky ergänzt, sie sei eine richtige Schlampe, entgegnet er in Richtung des Zuschauers, jetzt wisse er genau, wer gemeint sei. Daraufhin kommt ein Szenenwechsel auf Lina Romay beim Nachtclubauftritt.
Überlegenheit findet sich ebenso bei der abwechslungsreichen und größtenteils neuen Musik von Fernando Garcia Morcillo und Jesús Franco selbst. Hier wurden mal keine Archiv-Tracks von Daniel White verwurstet. Jesús Franco selbst hat eine etwas längere Rolle als Barpianist Sam Chesterfield. In dieser Bar treffen auch die alte und die neue Zeit aufeinander, Malboro und Chesterfield aus der Welt der klassischen Detektivromane, die Gäste dagegen Punks. Kleine Unachtsamkeiten gibt es geschenkt, z. B. im Haus Saul Winstons, als der sich mit seiner Frau Genera unterhält. Der Darsteller Trino Trives lehnt sich auf der für ihn vorgesehenen Couch zurück und beginnt seinen Dialog, muss dann aber feststellen, dass sein Gesicht hinter einem Blumentopf verschwunden ist. Macht nichts, die Kamera läuft also einfach wieder nach vorne beugen und weiter im Text.
Eine meiner Lieblingsszenen (und ich hoffe, mein Psychoklempner liest das nie, niemals) ist jedoch folgendes Szenario. Wer Francos Filme kennt, weiß, dass Aquarien immer mal wieder eine Rolle spielen, und hier in „Los Blues de la calle Pop“ gibt es einen Dialog in dem wir erfahren, dass Butterfly (Lina Romay) Aquarien mag. Daraus macht Franco das: in der Liebesszene zwischen Felipe Malboro und Butterfly taucht er das Geschehen in einen dunklen Hintergrund, mit leichten Lichtreflexen an den Seiten, geht ganz nah an die Gesichter und lässt die zwei Liebenden sich so bewegen, dass ein einmaliges Szenario entsteht. Zunächst sieht man nur die zwei sich küssenden Münder, und die wirken tatsächlich wie Fische, wie sie ihre Mäuler öffnen und schließen wie bei Fischen auf dem Trockenen. Es geht dann weiter mit einer Nahaufnahme von Mayans Profil in Romays Schambereich und dabei kreist und tänzelt sein Profil wie ein Seepferdchen um ein Algengewächs. An diesem Punkt dachte ich noch, vielleicht hätte ich einfach eine Riesenmacke, aber dann kommt Nummer Drei, Mayans Gesicht dass in Richtung seiner Partnerin vor- und zurückschnellt, wie eine zustoßende Moräne. Und ich denke (und hoffe, genau wie mein Psychoklempner), genau dieser Effekt war beabsichtigt.
Eher nicht beabsichtigt – dennoch nicht weniger effektiv – ist eine Szene, in der Malboro den gesuchten Macho Jim die Straße entlang verfolgt, und während das Hauptgeschehen in eigentümliches Licht getaucht abläuft, erscheint am rechten Rand die reale Welt, eine belebte Straße, Sonnenschein und Passanten, die stehen bleiben, um zu sehen, was dort Seltsames vor sich geht. Francos surreale Welt trifft auf die Realität – diese jedoch nur ganz am Rand, im Augenwinkel des Zuschauers, blass und schwach, ein Störfaktor in Francos Welt.
Mir hat „Los Blues da Calle Pop“ ziemlichen Spaß gemacht, und gottseidank konnte ich meinen wirklich grauenvollen VHS-Rip kürzlich durch einen spanischen TV-Rip ersetzen, aus dem auch obige Screenshots stammen. Dort lief der Film im Double Feature mit „Historia sexual de O“, wovon das deutsche Fernsehen sich ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnte.