Dutch Wife in the Desert (USA)
Seit fünf Jahren jagt der ehemalige Detektiv und heutige Auftragsmörder Sho (Yûichi Minato) seinen früheren Freund Ko (Shôhei Yamamoto), der damals seine Frau vergewaltigte und tötete. Nun wird Sho von dem Immobilienmakler Naka (Masayoshi „Seigi“ Nogami) engagiert, um dessen frühere Angestellte und Geliebte Sae (Noriko Tatsumi) zu finden, welche von Kos Männern entführt und vor dessen Augen vergewaltigt und dabei gefilmt wurde. Seit einem halben Jahr befindet sie sich in der Gewalt der Gangster, und Sho sieht endlich eine Möglichkeit, mit seinem früheren Partner abzurechnen. Doch die Prostituierte Mina (Miki Watari) macht ihm einen Strich durch die Rechnung.
Rapid Eye Movies hat jetzt im Oktober 2019 eine Reihe mit Pinkus begonnen, die in Deutschland auf Blu-ray erscheinen, erwartungsgemäß im Original mit deutschen Untertiteln. Die bisher angekündigten Titel deuten auf einen Deal mit der Kokuei Company hin, und das ist nur logisch. Denn abseits der großen Studios wie Toei oder der Roman Porno-Reihe der Nikkatsu Studios, ist Kokuei neben Wakamatsu Productions so ziemlich der einzige Distributor, der diese Art von Filmen über Jahrzehnte hinweg archiviert und gepflegt hat. Dabei war das Repertoire des Pink Films abseits der großen Studios an sich nahezu unerschöpflich, doch gerade aus früheren Phasen sind kaum noch Filme erhalten, Kopien wurden gespielt, bis sie unbrauchbar wurden und anschließend weggeworfen. Wie zu erwarten war, hat Rapid Eye Movies sich für die erste Veröffentlichung zwei Filme ausgesucht, die eher dem Arthouse zugerechnet werden könnten. Doch dazu im Folgenden mehr.
Als ersten Film auf der Disk (neben Masao Adachis „Gushing Prayer“) findet man „Inflatable Sex Doll of the Wastelands“. Dieser ist in s/w, denn erst kurz darauf ging man im Grauzonen-Pinku dazu über, einige Szenen in Farbe einzufügen. Logischerweise handelte es sich dabei meist um die Sexszenen, wobei gerade Koji Wakamatsu dafür bekannt war, eigene Definitionen dafür zu schaffen, was seiner Ansicht nach Farbgebung wert war und was nicht. Und erst unter dem Druck der Erfolgswelle der Roman Porno-Filme von Nikkatsu musste schließlich auch die Yakuza-Grauzone Geld in Farbnegative investieren, um mit der großen Konkurrenz mithalten zu können. Und das konnten sie.
„Inflatable Sex Doll of the Wastelands“ ist ein faszinierender Film, in dem sich hintergründig alles um die Frau dreht (neben der vordergründigen Rachegschichte), auch wenn diese nur selten zu Wort kommen. Denn Frauen sind nur Puppen, regungslos, apathisch, erwachen gar nur dann zum (Schein-)Leben, wenn sie die Begierden der Männer erfüllen sollen. Der Titel des Films verrät es bereits. Während „Inflatable Sex Doll of the Wastelands“ zunächst unter dem unpassenden Titel „Horror Doll“ gedreht wurde entschied man sich schließlich zu „Kôya no Dacchi waifu“, wobei letzteres, „Dutch Wife“, die japanische Bezeichnung für eine Sexpuppe ist. Verzweifelt versucht Protagonist Ko im letzten Drittel des Films die entführte Sae aufzuwecken, doch diese erwacht nur vor der Kamera zum Leben, wenn sie leidet, weil sie missbraucht wird. Unter seinen Händen zerfällt sie zu Staub. Übrigens halten sich die sexuellen Darstellungen zumindest in punkto Screentime sehr in Grenzen. Frauen werden benutzt und in das Schema ihres männlichen Begehrers gepresst, mal Sexpuppe, mal Hure oder gar nur eine leblose Erinnerung, die zwar Schmerz hervorruft aber keine Persönlichkeit besitzt.
„Inflatable Sex Doll of the Wastelands“ ist das Regiedebut von Atsushi Yamatoya der zuvor im selben Jahr als heimlicher Drehbuchautor für Koji Wakamatsu und Seijun Suzukis „Branded to Kill“ tätig war. Der stilistische Einfluss auf Yamatoyas erste Regiearbeit ist unübersehbar. Ebenso unübersehbar ist der Einfluss durch und auf die frühen Gangster-Filme von José Bénazéraf. Dieser Eindruck wird nicht nur durch den Stil, sondern auch durch die atonale Jazzvertonung durch Yosuke Yamashita in „Inflatable Sex Doll of the Wastelands“ vervollständigt. Ansonsten muss ich anerkennen, was hier für verdammt wenig Geld geschaffen wurde. Natürlich wurde improvisiert: die Aufnahmen in den „Wastelands“ sind wohl dem Budget geschuldet, Innenräume und Darsteller teilte man sich zudem mit der Produktion von Yusei „Ario“ Takedas „Tajô na nyûeki“ (Amorous Liquid/Love's Milky Drops, 1967). In späteren Jahren arbeitete Yamatoya als Autor für Nikkatsu, aber auch weiterhin für Wakamatsus Art Theatre Guild und schließlich fürs Fernsehen. Für Nikkatsu verfasste er unter anderem das Drehbuch zu dem umstrittenen „Exzesse im Folterkeller“ (Dabide no hoshi: Bishôjo-gari, 1979) von Norifumi Suzuki.
Und schließlich kann „Inflatable Sex Doll of the Wastelands“ mit einem überraschenden und blutigen Finale punkten, in dem endlich auch mal eine Frau zu Wort kommt, wenn auch nur kurz - aber sie hat Wichtiges zu sagen. Der Epilog wiederum wirkt ein klein wenig verlogen, wenn man bedenkt, aus welcher Ecke der Film wohl finanziert wurde, aber das brauchte den Macher wohl nicht zu kümmern. Seine Botschaft ist er losgeworden, auch wenn das Geld hierfür von den Feinden seiner Botschaft kam.
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Thomas Hortian
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