Blue Eyes of the Broken Doll

Spanien, 1974

Originaltitel:

Los ojos azules de la muñeca rota

Alternativtitel:

Les yeux bleus de la poupée cassée (FRA)

Gli occhi azzurri della bambola rotta (ITA)

House of Psychotic Women (USA)

The House of Doom (USA)

The Blue Eyes of the Broken Doll

Regisseur:

Carlos Aured

Inhalt

Gilles (Paul Naschy) ist zu Fuß in Nordfrankreich unterwegs und auf der Suche nach Arbeit. Als er von Claude (Diana Lorys) aufgesammelt wird, die ihm auch noch einen Job in ihrem Haus anbietet, willigt er ein. Claude lebt zusammen mit ihren Schwestern Yvette (Maria Perschy) und Nicole (Eva León) in einer Villa mit weitläufigem Besitz und sie hat von ihren Schwestern keine Hilfe zu erwarten. Nicole stürzt sich von einem ins nächste erotische Abenteuer und Yvette ist an den Rollstuhl gefesselt. Nach Gilles' Ankunft ereignen sich brutale Morde an jungen Frauen, die immer unter der gleichen Voraussetzung passieren. Die Damen müssen blond sein und blaue Augen haben. Schnell gerät der Fremde unter Universalverdacht, bis auch Inspektor Pierre (Antonio Pica) ihn ins Visier seiner Ermittlungen nimmt. Ist Gilles tatsächlich der wahnsinnige Killer..?

Autor

Prisma

Review

Der spanische Regisseur Carlos Aured hat in seiner etwas mehr als zehnjährigen Schaffensperiode zwar keine Unmengen an Filmen vorzuweisen, allerdings befinden sich darunter ein paar Genre-Perlen, die heute einen gewissen Kultstatus genießen. Mit diesem rein spanischen Vertreter des Giallo, blickt man zunächst auf einen überaus wohlklingenden Filmtitel, der sich in vielversprechender Art und Weise als Vorbote für ein besonderes Filmvergnügen empfehlen möchte. Ein Mann ist auf der Flucht vor den Altlasten der eigenen Vergangenheit, die ihn jedoch mental immer wieder heimsucht. Wie das verkorkste Schicksal es will, landet er in einer geheimnisumwitterten Villa, in der etliche eigenartige bis aufreizende Personen zu finden sind. Die Regie hält sich an die Architektur des klassischen Giallo, sodass viele gerne gesehene Elemente sehr früh für eine aufgeheizte atmosphärische Dichte sorgen können. Bleibt man bei den Charakteren, so stellen sich insbesondere die Damen selbst vor, ohne jedoch zu viel von sich preiszugeben.

 

Zumindest im Zweifelsfall. Viele Details, sowie schöne Sets und Schauplätze lassen eine scheinbare Idylle zu, die sich jedoch durch ein unbekannt mitschwingendes Element aufhebt und es ist von vorne herein klar, dass die dunkle Vergangenheit sich mit der rätselhaften Gegenwart kreuzen wird. Das im Giallo gerne verwendete Thema Makellosigkeit, für das sich insbesondere sehr attraktive Darstellerinnen zur Verfügung stellen, wird in "The Blue Eyes of the Broken Doll" ebenfalls umgekehrt, schließlich zeigen sich körperliche Einschränkungen gleich in doppelter Potenz, denen möglicherweise noch eine Art Schlüsselfunktion zukommen könnte. Der Verlauf nimmt sich den ausgiebigen Luxus von Zeit, doch man hat es keinesfalls mit einem Dahinplätschern zu tun, sondern mit der sorgsamen Kreation aus Geheimnis und Spannung, bis nach etwa erst 45 Minuten ein Phantom zuschlägt und die bösen Vorahnungen bestätigt.

 

Die Szenerie ist mit einer erotischen Offensiv-Spannung aufgeladen, die sich ganz auffallend bemerkbar macht, weil sie sich quasi selbst hinauszögert, bestimmte Personen außen vor lässt und sich nur in kurzen Eruptionen entlädt. Grundlegend wird auf feine Ästhetik gesetzt und es zeigen sich daher fast ausschließlich ansehnliche Bilder, die ein besonders hochwertiges Profil kreieren werden. Der geneigte Zuschauer erwartet in einem derartigen Beitrag selbstverständlich auch blutige Kontraste, die sich schließlich einstellen. Allerdings muss hier angesichts typischer Seheindrücke ein gutes Stück umdisponiert werden, da eine wenig geschmackvolle Strategie mit dem Fließen echten Blutes gefahren wird. Was mit einer Taube anfängt, die gegen die Windschutzscheibe des Wagens der weiblichen Hauptperson prallt und durch eine befremdlich-prosaische Mechanik von ihrem Leben befreit wird, geht über das Zerkleinern eines Huhns in der Küche weiter und gipfelt schließlich in einer sprudelnden Blut-Fontäne, als einem Schwein die Kehle durchgeschnitten wird.

 

Natürlich hinterfragt man ganz offen die Bedeutung, beziehungsweise Notwendigkeit dieser ziemlich unbehaglichen Veranschaulichungen, doch gerade dadurch entsteht hier ein pechschwarzer und schwer isolierter Nimbus, der die Inkompatibilität und eine mentale Unausgeglichenheit der Personen charakterisiert. Also können sich naturgemäß die eigenartigsten, beziehungsweise grausamsten Dinge abspielen, denn einige der Herrschaften werden in diesem Zusammenhang noch zum Angriff übergehen. Auf musikalischer Ebene erlebt "The Blue Eyes of the Broken Doll" eine sehr starke Unterstützung durch die Themen von Juan Carlos Calderón, die durch konträre Einsätze zum Gezeigten teilweise aufs Glatteis führen möchten, aber genauso strapaziöse Formen annehmen können, da zum Beispiel ein abgewandeltes und immer wiederkehrendes Thema des französischen Kinderliedes "Frère Jacques" zu hören ist, bis sich hochspannender Sleaze anschließt.

 

Schwarze Handschuhe greifen also nicht nur nach dem Leben, sondern gleich nach allem, womit es am schnellsten beendet werden kann. Die Opfer sind junge hübsche Damen, die dem Titel des Films eine makabre Aussage mitzugeben wissen, doch das Motiv bleibt bis zuletzt im Verborgenen, obwohl es aufgrund zahlreicher Hinweise viel Anlass zur Spekulation gibt. Da die Geschichte über sehr gute Darsteller verfügt, kommt es in diesem technisch einwandfreien Film zu formvollendeten Momenten. Da sich Horror-Ikone Paul Naschy die Ehre gibt, ist man als Zuschauer hin- und hergerissen zwischen Skepsis und Verständnis, doch mit dem Spanier erlebt man eigentlich so gut wie nie eine Art klassisches Urvertrauen. Gilles ist die personifizierte Vergangenheit ohne Zukunft und bleibt eine der hochgradig undurchsichtigen Komponenten der Geschichte. Dabei wirkt Naschys Leistung sehr intensiv und gut ausbalanciert, was sich auch insbesondere über seine geheimnisvolle Partnerin Diana Lorys sagen lässt, die eine wirklich begeisternde Performance aufs Parkett legt.

 

Weitere ansprechende Darbietungen zeigen Antonio Pica, als resolut wirkender Inspektor, oder Eva León, die mit ihren unstillbaren Gelüsten in die Manege steigt. Besondere Erwähnung soll der Österreicherin Maria Perschy als Yvette zukommen, die zu jener Zeit längst ein Begriff auf dem spanischen Markt war. Die im Vorspann erwähnte, besondere Mitwirkung ihrerseits, rundet das Geschehen durch die Kunst des Wechselspiels ab. Eine besonders glaubwürdige Entourage. Bevor der Film des Rätsels Lösung offenbart, kommt es noch zu zahlreichen Intervallen, die wirklich sehenswert sind und im Endeffekt hat man es bei "The Blue Eyes of the Broken Doll" mit einem überraschend starken, vor allem originellen und extravaganten Vertreter des Giallo zu tun, der seine Erfüllung in der erfolgreichen Unterhaltungs-Mission und einem gut konstruierten Verlauf mit passendem Finale findet, das erwartungsgemäß gleich mehrere Kehrtwendungen bereit hält. Überzeugend!

Autor

Prisma

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