Auf euren Hochmut werde ich spucken

Frankreich, 1959

Originaltitel:

J'irai cracher sur vos tombes

Alternativtitel:

Il colore della pelle (ITA)

I Spit on Your Grave (USA)

Deutsche Erstaufführung:

7. August 1959

Regisseur:

Michel Gast

Kamera:

Marc Fossard

Inhalt

In einer US-Kleinstadt in den Südstaaten kommt es zu einem brutalen Lynchmord, bei dem der 18jährige Bruder von Joe Grant (Christian Marquand) Opfer eines rassistischen Mobs geworden ist. Da er eine weiße Frau heiraten wollte, wurde er kurzerhand von einer Reihe Unbekannter hingerichtet. Joe verlässt Memphis, um die Verantwortlichen ausfindig zu machen und Rache zu nehmen. Vor Ort übernimmt er einen Buchladen, in dem ein hoher Durchlauf herrscht. So lernt er die Bürger der kleinen Stadt kennen, die von einer skrupellosen Motorrad-Gang tyrannisiert werden. Joes trauriger Vorteil bei dieser unübersichtlichen Suche nach den Schuldigen ist seine helle Haut, die niemanden darauf schließen lässt, dass er genau wie sein Bruder Schwarz ist. Als ihm die Frauen aufgrund seines unkonventionellen und furchtlosen Verhaltens reihenweise zu Füßen liegen, braut sich eine Katastrophe zusammen...

Autor

Prisma

Review

Obwohl der französische Regisseur Michel Gast in seiner Karriere nur wenige Spielfilme inszenierte, handelt es sich bei AUF EUREN HOCHMUT WERDE ICH SPUCKEN um einen sehr beachtlichen Beitrag, der seinerzeit mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren belegt wurde, was sicherlich an den ungewöhnlich expliziten und sexuell aufgeladenen Schauwerten, einigen verrohten moralischen Botschaften und am teils verletzenden Jargon liegt. Der Regie ist jedoch keinesfalls ein mangelndes Taktgefühl vorzuwerfen, geschweige denn ausschließlich reißerische Ambitionen, viel eher ist das überaus clevere Stilmittel wahrzunehmen, den Zuschauer bis auf das Äußerste über die vorgestellten Charaktere zu provozieren. Oft neigt der Verlauf zu auffälligen Übertreibungen und Pauschalisierungen, allerdings nur, um die wahre Brisanz der Geschichte in den Fokus zu rücken, die leider auch heute noch viel zu aktuell ist, als dass sie sich schnell nach anno dazumal abschieben lassen würde. Seinerzeit hagelte es schlechte Kritiken für dieses unkonventionelle Rassismus-Drama, auch verschwand die Produktion schnell wieder und außerdem für Jahrzehnte in der Versenkung, da Unterhaltungswert und Zuschauerorientierung in die zweite Reihe verwiesen werden, und der Film in vielerlei Hinsicht zu heiß ist. Die Präsentation der Story ist mit zahlreichen Tücken gespickt, immerhin lassen sich beinahe allseits Personen ausfindig machen, die Identifikationspotenzial anbieten, da sie und die Dramaturgie sich bis kurz vor Schluss schlicht und einfach weigern, sich eindeutig zu positionieren. Im übertragenen Sinn charakterisiert diese Strategie nichts anderes als die Gefühlslage des Protagonisten, der niemandem und dem keiner trauen kann, kündigte er in seiner blinden aber eigenartig stillen Wut doch an, so viele Weiße wie möglich ins Jenseits befördern zu wollen, da Rache nur kalt am besten schmeckt.

 

Regisseur Michel Gast lässt seine Geschichte zu einer Art Rochade werden, deren Ausgang bereits vorprogrammiert zu sein scheint, dennoch überaus unberechenbar bleibt. Hieraus entsteht eine Form der Spannung, die auf heftige Eruptionen in trügerischer Ruhe in gefährlichem Einklang setzt. Überhaupt geschieht der Einstieg in die Welt der sozialen Unterschiede und moralischen Kontraste sehr beeindruckend, da das Publikum über die Maßen geschockt und strapaziert wird. Der Lauf der Dinge wird mit einer hastig arrangierten Hinrichtung und einem lodernden Feuer eingeläutet, in dessen Licht sich Wut, Hass und der Wunsch nach Vergeltung spiegeln und vereinen. Diese Szenen wirken umso beklemmender, da Unbeschwertheit und der Glaube in das Gute für immer verstummen muss, um die geplante Kettenreaktion in Gang zu bringen.

 

»Wenn ein Schwarzer eine Weiße vergewaltigt, geht der, der ihn deswegen umlegt, immer frei aus! Notwehr...«

 

Derartige Parolen bestimmen den Ton in dieser zunehmend trostlosen und hervorragend fotografierten Geschichte immer wieder und stellen die blanke Realität dar, indem sie hemmungslos verzerrt wird. Hauptdarsteller Christian Marquand befeuert diese Angelegenheit, indem er die Koketterie und den allgemein grassierenden Hochmut empfindlich trifft, da er ihn einfach ignoriert und ihm mit Gleichgültigkeit und Selbstbewusstsein gegenüber tritt. Da sich niemand seiner Identität bewusst ist, führt er die Leute der Stadt reihenweise vor, weil es ihm möglich ist, sie bei deren Eitelkeit zu packen, und die Zuschauer schlussendlich zu seinen Komplizen macht. Die Architektur der Story ist allerdings dazu gemacht, de wenigen aufkommenden Hoffnungsschimmer schnell wieder zu ersticken. Vielleicht hat man Christian Marquand selten so konzentriert und überzeugend wie hier gesehen.

 

Für besondere Schützenhilfe sorgen hier die beteiligten Damen, deren Anlegungen unterschiedlicher nicht sein könnten. Renate Ewert zeigt sich erneut von ihrer völlig unangepassten Seite und gefällt sich in lebhaftem Sarkasmus und breit angelegten Provokationen, die sich bevorzugt gegen bestehende Konventionen richten. Sylvia ist schwer zu durchschauen, denn man kann sich nie sicher sein, was wirklich in ihr vorgeht. Als Kontrast fungiert die ebenso schöne Italienerin Antonella Lualdi, die zu einer Art moralischen Instanz zwischen all der Verworfenheit wird, die unter anderem wiederum von der Jugoslawin Marina Petrowa dargestellt wird, die sich insbesondere in der Bundesrepublik einen Namen im Film machen konnte. Wie üblich steht Petrowa für eine Form der Verführung, die die Grenzen der Leichtfertigkeit provokant überschreitet. Dieses weibliche Trio sorgt mit Marquand für besonders fesselnde Momente in diesem nicht zur Ruhe kommen wollenden Verlauf, der anhaltend aufgeheizt wirkt. Regisseur Gast versieht das Geschehen mit einer merklichen Portion Hoffnungslosigkeit und Tragik und deutet unmissverständlich an, dass es die extremen Einstellungen der Leute sein werden, die es nicht zulassen, dass Gefangene gemacht werden. Bei AUF EUREN HOCHMUT WERDE ICH SPUCKEN handelt es sich um eine bislang in Vergessenheit geratene Produktion, der ihr ungewöhnlicher Mut zur Brüskierung und die spröde Publikums-Kompatibilität vielleicht zusetzt, aber aufgrund des mahnenden und ungeschönten Tenors erschreckend und überzeugend zugleich wirkt. Oberste Priorität dieser Erzählung ist schlussendlich das Aufzeigen einer Gerechtigkeit, der obligatorisch zum Sieg verholfen werden muss, obwohl sie nicht existiert.

Autor

Prisma

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