Cette nuit, je m'incarnerai dans ton cadavre (FRA)
This Night I Will Possess Your Corpse (GBR)
Questa notte mi incarnerò nel tuo cadavere (ITA)
This Night Will Make Your Corpse Incarnate
Tonight I Will Eat Your Corpse
Tonight I Will Enter Your Corpse
Tonight I Will Make Your Corpse Turn Red
Tonight I Will Paint in Flesh Colour
Zé de Caixao (José Mojica Marins) - auch als Coffin Joe bekannt – hat seinen Angstkollaps in der Gruft doch überlebt und kehrt zurück in sein Heimatdorf, wo man seine Rückkehr angstvoll zur Kenntnis nimmt. Und er will endlich seine Pläne vorantreiben, einen männlichen Nachkommen zu zeugen, an den er seine überlegenen Gene weitervererben kann. Hierzu entführt er sechs Frauen und unterzieht sie einem Test, den nur die kaltblütige Laura (Tina Wohlers) besteht. Doch sie besteht den finalen Test nicht: den Beischlaf mit Coffin Joe, während im Hintergrund die Todesschreie der anderen fünf Frauen erklingen. Zudem hat sie sich in ihn verliebt, und Liebe bedeutet Schwäche. Obwohl die Dorfbewohner den Schuldigen für die Entführungen schnell ausgemacht haben, gelingt es Coffin Joe geschickt, den Verdacht von sich abzulenken. Und als Laura wieder auftaucht und aus Liebe zu ihm der Polizei eine erfundene Geschichte auftischt, scheint er aus dem Schneider. Doch noch immer braucht er eine würdige Partnerin. Da erscheint die junge Marcia (Nadia Freitas), Tochter des „Colonels“ im Dorf und fühlt sich umgehend zu Coffin Joe hingezogen. Eine kalte Frau, die ihm genau das sagt, was er hören will und an seine Überlegenheit glaubt. Als er jedoch Marcias Bruder tötet, setzt der Colonel Killer auf ihn an.
„My world is strange because it is made of strange people.
But none stranger than YOU!“
Drei Jahre nach „At Midnight I’ll take your Soul“ kehrt die Figur des Zé de Caixao in sein Dorf zurück, und erst Mal muss man als Zuschauer schwer schlucken, denn am Ende des Erstlings sah er verdammt tot aus. Doch das ist schnell erklärt. In einer Rückblende des Finales vom ersten Film legt man einem der Darsteller die Worte „Oh Gott, er lebt noch“ in den Mund, eine Augenoperation behebt das tote Glubschauge und auch der Verurteilung wegen mehrfachen Mordes kann er aus Mangels an Beweisen entgehen. Egal, wollen wir nicht spitzfindig werden.
José Mojica Marins ist zurück, und diesmal hat er Geld, sprich, einen professionellen Produzenten. Das spürt man an allen Ecken und Enden. Zum Beispiel bei der Ausstattung: aus Coffin Joes Behausung, im ersten Teil kaum mehr als ein dunkles Schlafzimmer mit Bett, ist ein richtiges Haus geworden, einschließlich Laboratorien und Folterkellern im Souterrain. Ebenfalls hat man ihm einen Diener spendiert, den entstellten und buckligen Bruno, der offenbar Pate für Rob Zombies „Tiny“ in „The Devil’s Rejects“ stand. Desweiteren muss man hier auf Wackelkamera und spärliche Ausleuchtung verzichten, auch Marins Schauspiel ist – noch immer beeindruckend – kontrollierter und weniger manisch.
In der Vorproduktion kaufte Marins eine verfallende Synagoge als neues Filmstudio, wo sich – wie bereits in der Review zum Vorgänger erwähnt – seltsame Dinge zutrugen. Anwärter auf die zu vergebenden Filmrollen wurden Schlangen und Spinnen ausgesetzt, gar lebendig begraben, um ihre Fähigkeiten als Schauspieler zu testen. Doch sinnlos waren diese „Mutproben“ keineswegs: denn nicht mehr und nicht weniger erwartete die Darsteller während der Dreharbeiten.
Und so seien einige herausragende Momente hier erwähnt: z. B. eine der beängstigendsten Spinnenszenen, die man je in einem Horrorfilm gesehen hat. Hierfür wurden um die Hundert echte, lebende Taranteln auf sechs weibliche (und zuvor ordentlich mit Alkohol abgefüllte) Darstellerinnen losgelassen. Anschließend wartet auf fünf, nein, vier von ihnen eine Schlangengrube mit ebenso echten Reptilien. Die Fünfte ist ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk von Coffin Joe an seinen Gehilfen Tiny, der macht sie allerdings schon nach ein paar Sekunden kaputt, aber vielleicht bekommt er zu seinem richtigen Geburtstag ja eine Neue.
Ein weiterer herausragender Moment ist die filmische Umsetzung eines Alptraumes von Marins himself: Coffin Joe liegt mit seiner Geliebten im Bett, und plötzlich erscheint eine komplett schwarze, zombieähnliche, dürre Gestalt am anderen Ende des Zimmers. Diese stakst auf den schreienden Totengräber zu, packt ihn an den Füßen und schleift ihn, die Treppe hinab, aus dem Haus zum Friedhof. Dort abgelebt, erscheinen sich windende Hände aus den Gräbern und ziehen den Zé de Caixao hinab in die Hölle – wo es mit der einzigen und herrlich durchgeknallten Farbsequenz des Films weitergeht. Der Zé wird Zeuge, wie die Körper der Sünder in der Hölle von Dämonen gepeinigt werden und begegnet schließlich dem Teufel, der ihm ziemlich ähnlichsieht. Marins gelingt in diesem Sequel zudem das kleine Wunder, einige Szenen einzufügen, die uns die Figur dieses zynischen, an nichts glaubenden „Übermenschen“ fast sympathisch erscheinen lassen, genug zumindest, um das Finale als tragisch zu empfinden. Deshalb jetzt zur Zensur, bzw. zum FINALE-SPOILERN.
ACHTUNG MEGA-SPOILER - Das Filmende mutet kurios an. Hat der Zé gerade noch das Kreuz des Priesters ausgeschlagen und sich geweigert, seine Sünden zu bereuen und sich zu Gott zu bekennen, passiert plötzlich Folgendes: Coffin Joe steckt im Sumpf fest, aus der Tiefe steigen die Knochen der von ihm getöteten Frauen herauf, und plötzlich bittet er (nur seine Rückansicht ist zu sehen) um ein Kreuz und preiset den Herren. Anschließend noch ein sinnig-sinnloser Schriftzug, der zur Erkenntnis oder so ähnlich aufruft. - ENDE MEGA-SPOILER.
Tatsächlich gab Marins hier dem Verlangen der brasilianischen Zensoren statt, die ihm ein anderes Ende für seinen Film auferlegten. Und wer sich wundert, dass die Darstellerin der Marcia mal so und mal so aussieht: Nadia Freitas erkrankte und wurde kurzentschlossen durch das Scriptgirl ersetzt. Kann ja mal vorkommen. Im Jahr 2015 wurde "This Night I'll Possess Your Corpse" in die Abbracines-Liste der 100 besten brasilianischen Filme aller Zeiten aufgenommen, wo sich auch Marins‘ „At Midnight I’ll take your Soul“ (À Meia Noite Levarei Sua Alma, 1964) und „Das Erwachen der Bestie“ (O Ritual dos Sádicos, 1970) wiederfinden.