Say it with Flowers

Frankreich | Spanien, 1974

Originaltitel:

Dites-le avec des fleurs

Alternativtitel:

Díselo con flores (ESP)

Regisseur:

Pierre Grimblat

Inhalt

Deutschland, 1944. Ein Attentat auf Hitler ist gescheitert und Klaus von Ehrental (Frédéric Mitterrand), der daran beteiligt war, wird von der Gestapo verfolgt. Um seiner Familie Qual und Folter zu ersparen, erschießt er zunächst seine Kinder und anschließend seine hochschwangere Frau (Maria Perschy), findet aber nicht den Mut sich selbst umzubringen. Das Szenario geht viele Jahre später in Frankreich weiter. Das deutsche Au-pair-Mädchen Ursula (Rocío Dúrcal) kommt in das Haus der Familie Berger und übernimmt dort die Betreuung der fünf Kinder, die alle recht auffällig sind. Ein Sohn ist beispielsweise taubstumm oder Jean-Claude (John Moulder-Brown), ein eigentlich gut aussehender junger Mann, hat schwer mit einer auffälligen Fehlbildung im Gesicht zu kämpfen. Der Vater Jaques (Fernando Rey) ist besessen von der ägyptischen Kunst und fällt durch Zustände der geistigen Abwesenheit auf, seine Frau Françoise (Delphine Seyrig) beschäftigt sich ausschließlich mit den prachtvollen Blumen in ihrem Garten. Doch seit der Ankunft von Ursula ist alles anders. So wird das Haus permanent von acht uralten Leuten beobachtet und es kommt auch zu Zwischenfällen, bei denen einige der Kinder rätselhaften Unfällen zum Opfer fallen...

Autor

Prisma

Review

»Ici-bas je suis insaississable, car j'habite aussi bien chez les morts que chez ceux qui ne sont pas encore nés.« Mit diesem programmatischen Text Paul Klees beginnt dieser Beitrag des französischen Regisseurs Pierre Grimblat, den man in jeder Hinsicht mit Spannung erwarten darf. Der im wahrsten Sinne des Wortes blumige Filmtitel suggeriert im Vorfeld sicherlich etwas anderes, als man vielleicht erwarten würde, doch der unmittelbare Einstieg bringt den Zuschauer in das Jahr 1944, den man mittels Bildern in schwarzweiß erleben wird. »Achtung, Achtung. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt. Der Führer lebt! Hitler ist nicht tot! Hitler ist nicht tot! Hitler ist nicht tot!« Nach diesen hallenden Worten einer Radiodurchsage lässt der erste Schock nicht lange auf sich warten und die Basis für den Film und dessen späteren Verlauf ist mit sehr eindringlichen Szenen gelegt, in denen man das Gefühl eines Tunnelblicks vermittelt bekommt.

 

Interessanterweise wird in diesem französischsprachigen Film an diesen Stellen Deutsch gesprochen und auch die Musik-Text des Vorspanns erinnert zynisch an »Die Blumen« und mahnt »Der Tod ist unser ewiger Gärtner«, da Bilder von fleischfressenden Pflanzen gezeigt werden, die Insekten in ihre tödlichen Fallen locken. Die kurze Phase der Rückblenden endet mit dem überaus kurzen, aber wiederkehrenden Auftritt Maria Perschys und einem schmerzhaften Knall, bis es in Farbe, vor allem aber mit Claude Bollings fabelhafter Musik in der damaligen Gegenwart weitergehen darf. Eine Genre-Klassifikation fällt bei "Dites-le avec des fleurs" ziemlich schwer, denn man bekommt eine komplette Breitseite im Bereich Drama bis unorthodoxem Psycho-Thriller mit weniger Thrill als Psycho geboten, sollte sich aber insgesamt nicht allzu sehr auf die vollkommen visualisaierte Strategie des Verlaufs verlassen, was gleichzeitig bedeutet, dass gewisse Überraschungen vorprogrammiert sind.

 

Das trügerische Leitmotiv Blumen dominiert einen Großteil der Einstellungen, doch zwischen all dieser Opulenz und Schönheit lauert Vergänglichkeit. Langsam aber sicher bahnt sich ein immer wiederkehrender Alptraum von einer der Hauptpersonen an, dem Empfinden nach gipfeln viele Eindrücke in bloßen paranoiden Wahnvorstellungen. Die Geschichte macht es sich zur Aufgabe, ihren recht komplizierten Charakter nicht nur zur Schau zu stellen, sondern ihn auch regelrecht zu pflegen, sodass insgesamt der Eindruck einer sehr ausgefeilten und gelungenen Arbeit vermittelt wird, die fesseln und mitreißen kann, was jedoch eine gewisse, vielleicht sogar bedingungslose Bereitschaft dazu voraussetzt. Es ist irritierend, dass immer wieder alte Kriegslasten in Rückblenden einschießen, hin und wieder macht die dabei verwendete Blitz-Montage beinahe irre, was durchaus dem Zustand derjenigen Person entspricht, die von Erinnerungen und der Vergangenheit gefoltert werden.

 

Man sieht ein Meer von Blumen, anschließend Bilder aus der ägyptischen Mythologie, die plötzlich eins werden mit Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg und dessen bekanntesten Monstern. Hin und wieder ist es schwierig, Struktur und Ordnung ins Szenario zu bringen, denn die Regie verfolgt ganz offensichtlich andere Strategien. Bestückt mit einer A-Besetzung aus dem Bilderbuch, darf sich der interessierte Zuschauer also auf eine Achterbahnfahrt einstellen, deren Zwischenstationen Idylle, Temperament, Wahn oder beispielsweise Mord darstellen. Die spanische Schauspielerin und Sängerin Rocío Dúrcal macht einen exzellenten Eindruck und vermag es sogar, hier alles weitere in den Schatten zu stellen. Als deutsches Au-pair-Mädchen Ursula Fischer stellt sie insbesondere wegen ihrer Herkunft das Bindeglied zu einer dunklen Vergangenheit dar und reißt alte Wunden unbewusst auf. Oder doch nicht?

 

Ihre Szenen transportieren etwas Geheimnisvolles und machen mit einem blendend aufspielenden, von innerer Zerrissenheit und Realitätsflucht gepeinigten Fernando Rey einiges her, allerdings entstehen die bestechenden Sequenzen mit ihrem Partner und Experten für schwierige Rollen, John Moulder-Brown, einem jungen Mann der aufgrund einer Fehlbildung im Gesicht mit Komplexen beladen ist, und der wie immer blendend aufspielt. Maria Perschy wurde bereits erwähnt und überrascht als personifizierte Schuld und wandelnder Vorwurf, die restlichen Darsteller runden das Geschehen adäquat ab. Eine besondere Darbietung sieht man schließlich noch von der französischen Star-Interpretin Delphine Seyrig, ein Aushängeschild in Sachen Aura und Interpretationskunst, sodass der Film alleine schon im darstellerischen Bereich zu einem überwältigenden Selbstläufer wird.

 

Die sensible Thematik bekommt im Grunde genommen, oder vielleicht sogar üblicherweise, etwas reißerische Würze und schließlich ist man Zeuge einer interessanten Variation innerhalb der langen Distanz zwischen Schuld der Vergangenheit und aktueller, nicht vorhandener Bewältigung. Einige Zusammenhänge bleiben im Verlauf gewollt nebulös, geht man allerdings von der Voraussetzung aus, dass jeder gerade in einem kompletten Alptraum gefangen ist, fährt der Zuschauer sehr gut mit dieser eigenwilligen Veranstaltung. Die Spannung befindet sich stets auf einem konstanten Level und forciert sich in den richtigen Momenten zu schrecklichen Gewissheiten und Bildern, im ausgiebig vorbereiteten Finale darf sogar noch ein wenig gestaunt werden. Bei Pierre Grimblats "Dites-le avec des fleurs" handelt es sich in seiner eigenen übersichtlichen Filmografie sicherlich um einen Top-Beitrag, aber auch mit Blick auf die unorthodoxe Konkurrenz strahlt dieser Film unter dem Nimbus einer gelungenen Ausnahmeerscheinung. Hervorragend!

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Prisma

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