Maske des Grauens

Spanien, 1973

Originaltitel:

La corrupción de Chris Miller

Alternativtitel:

La Corruption de Chris Miller (FRA)

L'altra casa ai margini del bosco (ITA)

A Casa que Pingava Sangue (POR)

Behind the Shutters (USA)

The Corruption of Chris Miller (USA)

Sisters of Corruption

Kamera:

Juan Gelpí

Inhalt

Ruth Miller (Jean Seberg) lebt mir ihrer Stieftochter Chris (Marisol) in einem einsam gelegenen Landhaus in Spanien. Sieben Jahre zuvor hat Chris‘ Vater, ein Puppenspieler, die Familie verlassen und ist nie mehr zurück gekehrt. Doch Chris hat die Hoffnung, dass ihr Vater sie doch noch eines Tages holen würde, nie aufgegeben, und das ist nicht ihr einziges Problem. In Regennächten bekommt sie Angstzustände, die sich schließlich in Wutausbrüchen entladen, in denen sie mit Messer oder Brieföffner auf ihr Kissen einsticht oder was sonst so im Weg ist.

 

Der junge Vagabund Barney (Barry Stokes) flüchtet in einer Regennacht in den Schuppen der zwei Frauen und wird am folgenden Morgen von Ruth entdeckt. Zunächst verlangt sie, er solle umgehend das Haus verlassen, bevor ihre Stieftochter ihn sieht. Doch kurzentschlossen beginnt sie stattdessen eine Affäre mit Barney, der darüber hinaus künftig Gelegenheitsarbeiten für sie verrichtet, um sich seine Mahlzeiten zu verdienen. Die Abende verbringen sie zu Dritt mit Barneys Spiel auf der Gitarre.

 

Seit vielen Jahren treibt ein Serienmörder in den Dörfern der Umgebung sein Unwesen, den Polizei und Presse den „Landhaus-Mörder“ nennen. Nach dem bestialischen Mord an einer ganzen Familie gibt der zuständige Kommissar (Gérard Tichy) ein Detail bekannt: in der Nähe der Morde wurde stets ein Vagabund mit einer Gitarre gesichtet.

Review

„Großmutter hatte ein Verhältnis mit dem Bösen Wolf. Aber der Wolf war zu gierig, und deshalb vernaschte er unser armes Rotkäppchen auch noch. Und dann hat die Großmutter beide umgebracht.“

 

Endlich habe ich es geschafft, mir diesen Klassiker bis zum Ende anzusehen, und bevor ich anfange zu schwärmen, sei dies ein erster Hinweis darauf, dass ich den Film bereits mehrmals begonnen hatte, bevor ich mich durchgerungen habe, ihn bis zum Ende zu sehen. Es braucht schon ein wenig Sitzfleisch, aber „La corrupción de Chris Miller“ ist es mehr als wert, wie ich jetzt feststellen konnte.

 

Eine halbwegs ähnliche Ausgangssituation wie in Pasolinis „Teorema“ wurde zur Schaffung eines Psycho-Thrillers verwendet, der nicht nur Vorbilder sondern umso mehr Nachahmer fand. Zwei Frauen – beide nicht hundertprozentig sauber im Kopf – in einem einsamen Haus, ein Vagabund kommt hinzu und bleibt. Diese Situation bildete den Grundstein für Filme wie Carlos Aureds „Blue Eyes of a broken Doll“, Paul Naschys „El Carnaval de las Bestias“ und sogar für Norman J. Warrens „The Destructor“ (Prey), nur dass Barry Stokes (der Vagabund) dort ein Außerirdischer ist. Und Thema Barry Stokes, wer Warrens „The Destructor“ gesehen hat, wird zu würdigen wissen, dass Juan Antonio Bardem hier in „La corrupción de Chris Miller“ ein kleines Wunder vollbracht hat. Stokes wirkt tatsächlich wie ein Schauspieler.

 

Bardems Psycho-Thriller wurde hier in Deutschland mit einem Slasher-artigen Cover von UFA-Video veröffentlicht, und tatsächlich beginnt der Film mit einem blutigen Mord, begangen an einer wohlhabenden Ex-Sängerin- und Schauspielerin (Perla Cristal) von ihrem Geliebten in Charlie Chaplin-Verkleidung. Dann wechselt der Film zu einem langen aber spannend inszenierten Handlungsteil, in dem wir die zwei Frauen näher kennenlernen, von Chris‘ psychischen Problemen und Ruths heimlichen Groll gegen ihre Stieftochter erfahren. Das hält sie aber nicht davon ab, in einer Nacht, in der Chris eine Krise durchmacht, ihre Stieftochter weitaus inniger zu küssen als angemessen. Hinzu gesellt sich der Vagabund und sexuelle Sehnsüchte kommen ins Spiel. Es dauert eine Weile, bevor es zu einem düster inszenierten Massaker an einer Familie kommt, die übrigens weitgehend von Familienmitgliedern des Regisseurs Bardem dargestellt wird. Als Höhepunkt folgt später ein überraschend blutiges Finale, über das hier nichts weiter verraten wird.

 

Juan Antonio Bardem hat ein paar intelligente und sehenswerte Klassiker des spanischen Kinos geschaffen. Dass er hier einen – freilich meisterhaft inszenierten – Genrefilm mit ein paar für Spanien doch eher ungewöhnlichen Gewaltausbrüchen gedreht hat, finde ich ziemlich bemerkenswert. Doch er hat es schon wieder getan: der Film geht am Ende länger als notwendig. Diese Erbsengeschichte am Schluss sollte wohl den Zuschauer versöhnlicher entlassen, ähnlich wie Hitchcock es gerne gemacht hat. Der Zuschauer sollte nicht komplett schockiert das Kino verlassen. Bei Bardem fühle ich mich allerdings ein wenig an die US-Krimis von Fritz Lang erinnert, der – wohl um seine Prozenten zu ärgern – versucht hat, seinen Filmen ein Ende zu verpassen, dass nicht die Erwartungen harmonieliebender Zuschauer erfüllt. Lang haben seine Produzenten allerdings gelegentlich dazwischen gefunkt. Bei Bardem wiederum waren es wohl mehr Zugeständnisse an die spanische Zensur.

 

Die Veröffentlichungslage von „Maske des Grauens“ ist dagegen mal wieder ein Trauerspiel. Die deutsche UFA-VHS ist zwar an den Seiten beschnitten, liegt in Sachen Farbgebung aber weit vorn. Und apropos Hitchcock – es gibt eine „Duschszene“ etwas anderer Art.

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