El doctor Mabuse (ESP)
Der Mann, der sich Mabuse nannte
Der Wissenschaftler Dr. Orloff (Siegfried Lowitz) hat gemeinsam mit einem Institut eine Waffe entwickelt, deren Zerstörungskraft so groß sein soll, dass sie die gesamte Menschheit vernichten könnte. Eine Verbrecher-Organisation will die streng geheimen Pläne in die Hände bekommen und beauftragt Dr. M (Jack Taylor) und seine Gefolgschaft, die gefährliche Erfindung in ihre Gewalt zu bringen. Mit Entführung und Hypnose kommen die Verbrecher an weitere wichtige Informationen; die Sicherheit der Welt steht immer mehr auf dem Spiel. Inspektor Thomas (Fred Williams) steht eine schwierige Aufgabe bevor, da er den perfiden Plan des selbsternannten Erben des Dr. Mabuse vereiteln muss...
»Die Droge müsste gleich wirken«, hört man von Hermann, der rechten Hand des Dr. M. Zwar meint er die junge Dame, die gerade als Gast verhört wird, aber dem Zuschauer ist eigentlich so, als meine man eher diesen wirklich unfassbaren Film von Meister Jess Franco. Nüchtern betrachtet, hat man es über weite Strecken mit einem schlampig zusammengebastelten Flickenteppich zu tun und alles oder gar nichts wurde aufgegriffen. Die Tatsache, dass sich die verschiedenen Titel dieses Beitrags an der Figur des Superverbrechers "Doktor Mabuse" orientieren, lässt vollkommen falsche Erwartungen entstehen. Die sechsteilige Reihe, die ab 1960 überwiegend erfolgreich von Artur Brauners cCc Filmkunst produziert wurde, lässt keine Schlüsse auf den Ursprung zu, da Jess Franco hier zu alternative Ansätze verfolgt hat. Der Film fand seinerzeit keinen deutschen Verleih, folglich kam es auch zu keiner Auswertung im Kino. Eigentlich möchte man sich den Satz sparen, dass diese Tatsache viel über "Dr. M schlägt zu" aussagt, aber es ist eben so, dass es nicht zu begreifen ist, dass dieser Beitrag eben genau in dieser Façon existiert, was schon einmal von einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein zeugen lässt. Und selbstbewusst genug ist er, um die wahllos aneinander gereihten Szenen zu rechtfertigen. Will man eine Kategorie für diesen inoffiziellen "Dr. Mabuse"-Teil suchen, ist die Nadel im Heuhaufen nur schwer zu finden. Vergleichsweise lässt sich aber sagen, dass die Figur unter Franco einfach nicht mehr existiert und lediglich aus strategischen Gründen wieder reanimiert wurde. Gut, mit konventionellen Maßstäben und halbherzigem Wohlwollen kommt man bei diesem Mix aus Impulsivität, Halsstarrigkeit und dem Ignorieren bestehender Gesetze im Film einfach nicht weiter, sodass es unterm Strich nur zwei Möglichkeiten gibt. "Dr. M" gefällt oder nicht, er wird als besonders ausgefallen interpretiert, oder als vollkommen misslungen, dazwischen gibt es im Grunde genommen nichts.
Der Antritt von "Mabuses" Erbe wurde bereits in Teilen der ursprünglichen Reihe aufgegriffen und die Erfahrung hat dabei gezeigt, dass neue Besen recht gut gekehrt haben. Auch hier bekommt man einen unbekannten Superverbrecher präsentiert, ohne jedoch stilistisch, geschweige denn thematisch einen Fixpunkt zu finden. Nicht schlimm, darf man sich getrost einreden, denn Jack Taylor wurde tatsächlich bemerkenswert inszeniert, auch wenn der Ursprung seines Handelns eher von Ziellosigkeit und Impulsivität geprägt zu sein scheint. Es ist nicht zu leugnen, dass die Vergleiche, die im Endeffekt völlig unsinnig bleiben, Jess Francos Beitrag sehr schwer zusetzen. Ausgestattet mit dessen üblichem Stammpersonal vor und hinter der Kamera, bekommt man eigentlich das geboten, was zu erwarten war, nämlich eine holprige Mischung mit deutlichen Höhen und Tiefen und Schauspielern, an die man sich mit den Jahren richtig gewöhnt hat. Die These, dass es gewisse Filme geben soll, die auch ohne jegliche Logik auskommen, mag vom Prinzip her richtig sein. Allerdings ist es auf einem Beitrag mit derartiger Grundthematik kaum übertragbar, selbst wenn es sich um ein wahnwitziges Feuerwerk des berüchtigten Spaniers handelt. Das Erringen der Weltherrschaft steht im Raum, doch alles was gezeigt wird ist in diesem Zusammenhang dermaßen verworren, dass man die Logik-Frage vielleicht tatsächlich nicht primär diesem Film stellen sollte, sondern sich selbst und seinen eigenen Maßstäben. Es entsteht definitiv aber auch vollkommen unfreiwillig eine Art bewusstseinserweiternde Aura, die konventionelle Sehgewohnheiten radikal und subversiv umkehrt. Ausgefallene Kamera-Einstellungen und sehr schöne Bildstrecken sorgen für Überraschungen im visuellen Bereich, die Synchronisation ist ebenfalls gut gelungen, wurde sie aller Wahrscheinlichkeit doch für einen anvisierten Kinostart angefertigt.
Franco spielt erneut gerne mit Distanz und Nähe, manchmal ist es ein bisschen zu viel des Guten, weil Ungereimtheiten entlarvt werden. Beim Zoom auf Ewa Stroembergs prachtvoll strahlende Augen wird man so beispielsweise Zeuge, dass sie Kontaktlinsen trägt, unter ihrer roten Perücke sieht man ihre blonde Haarpracht, beim Monster Andros schaut es so aus, als sei das rechte Auge mit einem übermalten Kaugummi abgeklebt worden, das Film-Equipment wirft ungünstige Schatten in den Gesichtern der Interpreten, und so weiter. Wie kommt es also, dass man einen Film, den man eigentlich als denkbar schlecht einschätzen müsste, doch so viel Spaß machen kann? Weil er trotz allem unterhaltsam, außerdem nicht langweilig ist und man dem bunten Treiben, sowie dem Mut der Verzweiflung interessiert nachschaut. Bekannte Namen des deutschen Kriminalfilms haben sich in dieses Szenario verirrt, so beispielsweise Siegfried Lowitz in einem Kurzauftritt, der Jahre zuvor in "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse" schon einen Abstecher vorzuweisen hatte, außerdem zeigt sich Friedrich Joloff von seiner besten Seite, der einem hier jedoch eher wie das Gehirn und nicht wie der ausführende Arm des Doktors vorkommt. Ein jeweils nettes Wiedersehen gibt es mit Ewa Stroemberg und der stets so bedrohlich wirkenden Beni Cardoso, Fred Williams und Eva Garden spielen unauffällig und der größte Hingucker ist und bleibt wohl das Monster Andros, alias Moisés Augusto Rocha, dessen Funktion zwar unsichtbar auf der Hand liegt, aber dennoch vollkommen unbegreiflich bleibt. Am Ende will er die arme Eva Graden retten und bringt sie hinfort, vermutlich um sie in eine, in der Nähe liegende Schauspielschule zu tragen. Ja, es gibt viel Unglaubliches und Abgefahrenes zu sehen, sodass es im Endeffekt immer noch ein merkwürdiges Vergnügen und eine undefinierbare Wonne geblieben ist, diesem Spektakel beizuwohnen. So bleibt unterm Strich einer der sicherlich schönsten Schüsse in den Ofen, die die Filmwelt je gesehen hat.