Ich protestiere nicht, ich liebe

Italien, 1967

Originaltitel:

Io non protesto, io amo

Regisseur:

Ferdinando Baldi

Kamera:

Enzo Barboni

Inhalt

Die singende Lehrerin Caterina (Caterina Caselli) ist mit ihren alternativen Unterrichtsmethoden dem erzkonservativen Baron Francesco María „Pupetto“ Caló (Livio Lorenzon) ein Dorn im Auge. Doch seit dem Krieg ist der Baron verarmt, und als sein Neffe Salvatore (Tiberio Murgia) seinen Besuch ankündigt, benötigt der Baron Caterinas Hilfe. Denn Salvatore ist in den USA als Musikproduzent reich geworden, und der Baron möchte ihm Caterina als neuen Star anbieten. Sie willigt ein, was sie wiederum mit ihrem Verlobten Gabriel (Terence Hill) in Schwierigkeiten bringt. Denn der stellt sich seine zukünftige Frau als braves Heimchen am Herd vor, wie man es ihm beigebracht hat – doch Caterina hat ihren eigenen Kopf.

Review

„Ich protestiere nicht, ich liebe“ ist ein Musicarello von Ferdinando Baldi und hauptsächlich ein Star-Vehikel für die seinerzeit sehr populäre Sängerin Caterina Caselli. Produziert wurde der Film von Manolo Bolognini für B.R.C. Produzione S.r.l. Für Terence Hill, der im Film nur eine kleinere Rolle als Arzt Gabriel und Caterinas Verlobter hat, war „Io non protesto, io amo“ dennoch ein wichtiger Karriereschritt, da er seine Rückkehr zu rein italienischen Produktionen markierte. In Folge würde er für den gleichen Produzenten und Regisseur in „Blaue Bohnen für ein Halleluja“ (Little Rita nel West, 1967), „Django und die Bande der Gehenkten“ (Preparati la bara! 1968) und schließlich in Giuseppe Colizzis „Hügel der blutigen Stiefel“ (La collina degli stivali, 1969) an der Seite Bud Spencers zu sehen sein. Also nennen wir es ruhig beim Namen: ohne „Ich protestiere nicht, ich liebe“ hätte es das Duo Spencer/Hill nie gegeben.

 

„Io non protesto, io amo“ erzählt eine amüsante Geschichte in preiswertem Gewand. Ich kann es nicht mal richtig in Worte fassen, warum dieser Film mich so berührt. Ich bin kein großer Fan von Musikfilmen, und zum perfekten Sommerfilm fehlt ihm der Sommer. Da die Amalfi-Küste während der Saison sehr überladen ist, drehte man „Io non protesto, io amo“ im Herbst/Winter 1966, was das Einkaufnehmen von trübem Wetter und gelegentliche Regentropfen bedeutet. Dann ist da der schwierige politische Kontext, denn 1967 war das Jahr von schweren Studentenunruhen, und niemand kann mir erzählen, dass der Titel und die Story des Films keine Anspielung darauf sind. Die Hauptprotagonistin Caterina ist zwar irgendwie rebellisch, aber auf sehr konservative Weise. Letztendlich will sie nur ihren Platz in der Gesellschaft finden, und wenn sie sich dafür mit einem Faschisten-Bürgermeister arrangieren muss, dann tut sie das. Beendet sie diese Zusammenarbeit, tut sie es nicht für irgendwelche Ideale, sondern für ihr persönliches Glück, nämlich ihre liebe zu dem Arzt Gabriel. Damit schlägt „Ich protestiere nicht, ich liebe“ natürlich in dieselbe Kerbe wie Teile des deutschen Schlager- bzw. Jazzfilms. Meine eigenen Eltern hielten sich damals für sehr rebellisch, galten in der Gesellschaft gar als rebellisch, schaut man aber auf jene Zeit zurück, trifft man bei diesen „Rebellen“ auf sehr spießige Werte.

 

Aber egal, „Io non protesto, io amo“ ist ein Fun-Musicarello, also vergessen wir Politik. Und während die Kinozuschauer dieses genossen, fand 20 Tage zuvor noch die Schlacht von Valle Giulia statt, eine legendäre Straßenschlacht zwischen 4000 Studenten und Polizei in Rom, die in die Geschichte einging. Nur mal so am Rande. Und letztendlich könnte man die politische Botschaft auch wohlwollender interpretieren, nämlich in dem Versuch der Gesellschaft, jene Rebellen zu vermarkten und sie zu starren Idolen zu stilisieren, deren Proteste schließlich ungehört verhallen.

 

Caterina Casellis Stimme, und die Songs die sie im Film performt, sind wunderbar. Casellis Gesang berührt, denn sie besitzt keine saubere, kondensierte Stimme, vielmehr ist es eine Stimme mit Ecken und Kanten, die insbesondere von der großen Leinwand direkt in das Herz des Zuschauers einzudringen vermag. Zu Beginn – gleich nach dem sprechenden Esel, der mehrfach die Eseleien der Menschen kommentiert – erklingt während der Credits „ll sole non tramonterà“, ein Lied, dass wohl die größte Bekanntheit in der englischsprachigen Version „The Sun ain’t gonna shine (anymore)" der Walker Brothers erlangte. Ursprünglich stammte der Song von einer britischen Band namens „The Casuals“, die vornehmlich in Italien tätig war und diesen sowohl in Italienisch als auch in Englisch performte. Die Casuals gelten allgemein als One-Hit-Wonder, wobei dieser One-Hit für sie nicht der genannte Song, sondern das Stück „Jesamine“ war.

 

Als weitere Caselli-Gesangseinlagen gehen in „Ich protestiere nicht, ich liebe“ besonders die Lieder „Cento giorni“, „E' la pioggia che va“, sowie die Ray Charles-Adaption „I believe to my soul“ unter die Haut. Besonders amüsant ist die Szene, in der sie mit ein paar Dörflern als Motorrad-Bande verkleidet „Le biciclette bianche“ performt, der Song selbst haut mich jetzt aber nicht so um. Im Finale singt sie noch „Incubo N. 4“, ein Stück, dass zu ihrer inneren Zerrissenheit vor ihrer Entscheidung passt, Plattenvertrag und Welttournee für die Liebe sausen zu lassen. In der Realität hingegen ist Caterina Caselli nach ihrer Gesangskarriere keineswegs verarmt. 1992 entdeckte sie Andrea Bocelli, gründete eigens ein Plattenlabel für seine Veröffentlichungen, sie selbst ist Präsidentin von Sugar Music. Hut ab vor dieser Frau.

 

Kommen wir zur Liebesgeschichte zwischen Caterina und Gabriel. Terence Hill passt in diese Rolle – ja, das meine ich ernst – wie die Faust aufs Auge. Er ist jung, er ist hübsch, er hat allerlei anerzogene Ideen über das Verhältnis zwischen Mann und Frau im Kopf. Caterina hingegen hat andere Ideen und kompensiert ihre Schüchternheit zudem durch Hitzköpfigkeit – das führt zu amüsanten dickköpfigen Disputen zwischen den Beiden. Lustig ist hierbei vor allem, wie der frischverliebte Gabriel immer wieder nachgibt, im Bestreben die Frau, die er verehrt, glücklich zu machen. Der Baron stellt indessen Caterinas Mutter nach, die dessen Avancen stets brüsk zurückweist.

 

So großartig Casellis Gesangstimme ist, so herrlich könnte man über ihre schauspielerischen Fähigkeiten streiten. Der Produktion schien dies bewusst, und so stellte man ihr zahlreiche Profis zur Seite, was auch durch die verzwickte Story bedingt ist. Man kann Caselli aber zugute halten, dass sie für den Zuschauer trotzdem die markante Hauptprotagonistin bleibt, obwohl ihre Screentime durch die vielen anderen Charaktere eingeschränkt ist. Bei diesen übrigen Darstellern fallen neben dem natürlich bekannten Filmbösewicht Livio Lorenzon einige ins Auge, etwa Tiberio Murgia als des Barons Neffe aus den USA, Vincenzo Maggio als stets hungriger Diener des verarmten Barons, Pinucchio Ardia als Bürgermeister und Giancarlo Cobelli als Schulhausmeister Caterinas. Die witzigste Performance des Films bietet aber Enrico Montesano als schräger Popsänger Domenico, der Caterina auf die Sprünge helfen soll, etwas moderner rüberzukommen.

 

„Ich protestiere nicht, ich liebe“ wurde nie bei uns veröffentlicht und verdankt seinen deutschen Titel einer untertitelten Aufführung beim TERZA VISIONE im Juli 2019.

Links

OFDb
IMDb

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