Andy Warhol's Dracula

Frankreich | Italien, 1974

Originaltitel:

Blood for Dracula

Alternativtitel:

Sangre para Drácula (ESP)

Du sang pour Dracula (FRA)

Dracula cerca sangue di vergine e... morì di sete!!! (ITA)

Sangue Virgem para Drácula (POR)

Andy Warhol's Young Dracula

Dracula

Young Dracula

Deutsche Erstaufführung:

01. März 1974

Regisseur:

Paul Morrissey

Inhalt

In Rumänien ist kein Platz für Vampire, denen es nach Jungfrauenblut dürstet. Doch bevor Graf Dracula seine letzte Kraft verliert und elendig „vor die Fledermäuse geht“, macht ihm sein Diener, Anton, den Vorschlag das Land zu verlassen. In der Hoffnung auf frische Nahrung willigt der geschwächte Graf ein. Ihre beschwerliche Reise führt sie nach Italien, wo die Weiblichkeiten (angeblich) gottesfürchtig und unberührt sind. Dort angekommen stellt Anton den Grafen als einen wohlhabenden, rumänischen Edelmann vor, der auf der Suche nach einer - so will es das rumänische Adelsgeschlecht - jungfräulichen Ehefrau ist. In einem Gasthof empfiehlt man dem Grafen die Familie Di Fiore aufzusuchen, da der Marchese drei streng-religiös erzogene Töchter im heiratsfähigen Alter hat. Ob für den Grafen die richtige Blutgruppe dabei ist?

Review

Während meines damaligen Ersatzdiensts in einem Bochumer Krankenhaus, erzählte mir ein befreundeter Zivi (Zivildienstleistender) eine Geschichte um den Velvet Underground-Song „Venus in Furs“. Die Pointe besagt(e), dass Andy Warhol in Anbetracht der Lyrics über den Lustgewinn mittels Auspeitschen und Unterwerfung, die Aussage traf: „Wir müssen noch viel extremer werden!“. Keine Ahnung ob die Geschichte der Wahrheit entspricht, aber die Worte hatten sich umgehend in meinem Inneren verankert. Umso erfreulicher war die Tatsache, dass mir in einer Videotheke zwei VHS-Cover des Labels Toppic auffielen, welche die Namen Andy Warhol, Frankenstein und Dracula suggerierten. Unsere Horrorhelden verbunden mit dem, im Zeichen des Löwen geborenen Prä-Punker Andy Warhol, dass muss doch was werden! Oder?

 

„Im Mittelalter gab es mehr solch perverse Hunde, er saugt Jungfrauen das Blut aus damit er leben kann.“ (Mario Balato)

 

Andys Dracula-Produktion startet zutiefst melancholisch und präsentiert einen ebensolchen Fürsten der Finsternis, der sich vor dem Spiegel begutachtet und mithilfe von Makeup, Lippenstift und Haarfärbemittel seine optischen Defizite kaschiert. Fundiert wird diese Bildkonstruktion von Claudio Gizzis wunderschöner Klavier- und Streicherkomposition „Old age of Dracula“. Udo musste für die Rolle des Grafen Dracula 10 Kilo abnehmen um den abgewrackten Aristokraten glaubwürdiger transportieren zu können. Auf die Frage wie er dieses geschafft hätte erwiderte unser allerliebster Hexenjägerschüler, er hätte einfach nichts mehr gegessen. Den Vorurteilen, dass bei einer Andy Warhol Produktion der Alkohol und die Drogen nur so kreisen würden, schob Udo gleich einen Riegel vor. Man hat wenig Zeit gehabt und durchweg professionell gearbeitet.

 

Udo Kier verkörpert die Rolle des rumänischen Blutsaugers äußerst speziell, fährt in einem Rollstuhl durch die Räumlichkeiten der Familie Di Fiore, kriecht die Treppen herauf, liegt zitternd im Bett, kotzt (das unreine) Blut in das Wasserklosett sowie in die Badewanne. Der Eindruck, es handele sich um einen Drogensüchtigen auf Turkey wird dem Zuschauer regelrecht aufgezwungen, sodass auch der letzte Zweifler diese Sichtweise einnehmen muss. Graf Dracula als mitleiderregendes Wrack - ein krasses Gegenstück zu dem (von Bela Lugosi und Christopher Lee charakterisierten) Bild eines erotischen Aristokraten. Doch dieser, unter Entzugserscheinungen leidende Blutsauger hat im Vergleich zu seinen großen Vorgängern auch Vorteile, so strapazieren die Sonne und das Kruzifix zwar seine Nerven, fügen ihm allerdings keine äußerlichen Verletzungen zu. Die Divergenz zur klassischen Draculafigur führte übrigens dazu, dass Udo Kier zwei weitere, ähnliche Rollenangebote erhielt. Diese schlug er jedoch aus, da er nicht auf ewig mit der Blutsaugerrolle assoziiert werden wollte.

  

„Du kriegst was du verdienst, heute ist er nur ein hässlicher Kerl mit viel Geld, nach der Revolution ist er immer noch hässlich, aber er hat kein Geld mehr.”
(Mario Balato)

 

Das „Andy Warhol´s Dracula“ kein „reiner“ Horrorfilm ist, sollte klar sein. Bereits die Typografie der Credits zeigt sich individuell und für einen Horrorfilm untypisch. Zudem wird ein geschichtliches Ereignis, die Russische Revolution, zu einem wichtigen Handlungsaspekt, denn deren Geschehnisse sind das Gerüst für bissige Dialogkreationen, bzw. für die dogmatischen Ansprachen des Hausdieners, Mario Balato. Mario diffamiert alles und jede/n, der / die zur „besseren Gesellschaft“ gehört. Für ihn ist es nur eine Frage der Zeit bis die Revolution in Italien Einzug hält um Adel und Reichtum zu ruinieren und gleichzeitig die Geburtsstunde eines neuen Liberalismus einzuläuten. Obwohl ihm keiner seiner Gesprächspartner so recht zuhört, geschweige denn versteht, gibt der potente Mann für alle Fälle nicht auf, haut die Revoluzzerparolen im Minutentakt raus und erfüllt ganz nebenbei die sexuellen Gelüste der jungen „Damen“ im Hause Di Fiore. Was für eine schräg-geniale Type, die perfekte Rolle für den großartigen Joe Dallesandro.   

 

Das Thema Zweiklassengesellschaft lässt sich aus den Dialogen sowie den Bildkompositionen lesen. Die spärlichen Räumlichkeiten in einem Gasthof lassen in der folgenden Einstellung die Opulenz bei den Di Fiores spüren. Immer wieder führt das Auge der Kamera zu Gemälden und Statuen, die den Wohlstand sowie den hohen Intellekt der Di Fiores suggerieren sollen. Ferner wird bei einem der häufigen Sexspiele (bei denen immer der Diener und eine der verhurten Schwestern beteiligt sind) eine typische Partymusik der 1920er Jahre gespielt. Die Spiele der Reichen sind halt prickelnder, als das im Gasthaus gespielte „Ich kann, was du kannst“, und sorgen für einen deutlichen Kontrast der zwei Welten. Welche dieser Gesellschaftsschichten die primitivere oder dümmere ist - und welche Menschengruppe die wertvollere? Find´ es selbst heraus.

 

Bei „Andy Warhol´s Dracula“ fällt der Goregehalt (nicht allein im Vergleich mit „Andy Warhol´s Frankenstein”) sehr gering aus. Demnach bekommt der Gorebauer erst in den Schlussminuten sein Lebenselixier. Die Effekte sind zwar nicht sonderlich spektakulär, können aber (aufgrund der zuvor ruhigen Verfahrensweise) erfolgreich reinkloppen und das Finale eines guten und sehr speziellen „Horrorfilms“ stärken.

 

Fast vergessen bzw. der Rest vom Schützenfest:

 

- Udos Draculaoutfit und Schminkstil hat aller Wahrscheinlichkeit den Damned-Frontmann, Dave Vanian (dem man als damaligen Werbegag nachsagte, er hätte ein Studium in Vampirismus absolviert), beeinflusst. Einfach mal Bilder von Dave aus den Jahren 1976 und 1977 anschauen.

 

- Die Artwork des US 1sheet Plakat unter der Firmierung „Andy Warhol´s Dracula“ erinnert an den Zeichenstil des US 1sheet Plakat zu „Fearless Vampire Killers“ („Tanz der Vampire“).

 

- Wenn Draculas Diener, Anton, einen Brotleib nimmt, diesen mit dem Blut eines verunglücktem Mädchen vollsaugen lässt und anschließend seinem Herrn und Meister übergibt, dann denkt man unweigerlich an ein Gegenstück zum christlichen Abendmahl.

 

- Draculas Blutkotzexzesse (man achte auf die Groß- und Detaileinstellungen der jeweiligen Kameraperspektive) könnten durchaus inspirativ auf die ein oder andere Black Metal Band und deren Bühnenshows gewirkt haben. Ungeachtet dessen möchte ich das Cover des Darkthrone-Alben „Transilvanian Hunger“ ins Spiel bringen.

 

- Eine nahezu haarsträubende Kurzkritik zu „Andy Warhol´s Dracula“ findet man bei dvduncut.com, dort wurde am 19. Februar 2009 folgendes Urteil gefällt: „Einer der grössten scheiss filme der Film ist eher ein missarabler porno als Horro film man sieht zwar am ende wie er beine und ärme abgehackt bekommt aber sonst tot langweilich mir kommts vor ob Udo Kier nen schwulen dracula spielt.“ (Originalzitat)

 

Na denn, Prost! Ich verziehe mich derweil in meine „langweiliche“ Gruft, denn ich brauche jetzt viel Kraft und noch mehr Schlaaaaaaaaaaaaaaaf.

Filmplakate

Links

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Kommentare (1)

  • Frank Faltin

    Frank Faltin

    31 Mai 2020 um 11:52 |
    Marco Pirroni (Adam and the Ants, Siouxsie and the Banshees) bestätigt in John Robbs Buch "Punk Rock: Die ganze Geschichte", dass Damned-Frontmann, Dave Vanian, seinen Dresscode und Schminkstil bewusst von Udo Dracula Kier übernommen hat.

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