Verdi, ein Leben in Melodien

Italien, 1953

Originaltitel:

Giuseppe Verdi

Alternativtitel:

Verdi (BRA, FRA, HUN, PRT, ZAF)

Tragedia y triunfo de Verdi (ESP)

The Life and Music of Giuseppe Verdi (USA)

Deutsche Erstaufführung:

20. Mai 1955

Kamera:

Tino Santoni

Inhalt

21. Januar 1901: Nach einer Blutung in der Großhirnrinde ist der 98-jährige Giuseppe Verdi (Pierre Cressoy) halbseitig gelähmt und dem Tode nahe. In seinen letzten Momenten erinnert er sich an sein Leben zurück.

Review

Raffaello Matarazzos GIUSEPPE VERDI gehörte zu den drei erfolgreichsten Filmen der Saison 1953/54 in Italien und präsentiert dem Zuschauer eine dramatisierte Lebensgeschichte Giuseppe Verdis. Dramatisiert deshalb, weil man allerlei aus dem Hut gezaubert hat, um das Privatleben des bekannten Komponisten – über das außer ein paar (mitunter tragischen) Eckdaten tatsächlich nicht so viel Persönliches bekannt ist – der Legende anzupassen.

 

Auf dem Totenbett schweifen Verdis Gedanken zurück in das Jahr 1838. Mit seiner Familie begibt er sich nach Mailand, um die Aufführung seiner ersten Oper zu erleben. Er ist verheiratet mit Margherita Barezzi Verdi (Anna Maria Ferrero), der Tochter seines Mäzens Antonio Barezzi (Camillo Pilotto), der ihm seine Studien finanziert hat. In Mailand angekommen, wird Verdi jedoch von künstlerischen und persönlichen Rückschlägen getroffen. Zwar wird seine erste Oper „Oberto, Conte di San Bonifacio“ 1939 ein früher Achtungserfolg, doch Verdis kleiner Sohn stirbt an Krankheit. Matarazzos Film unterschlägt hier den vorherigen Tod von Verdis erstem Kind (1837), einer Tochter, somit ist es schon das zweite Mal, dass der Komponist mit solch einem Schicksalsschlag konfrontiert wird.

 

Doch die Pechsträhne reißt nicht ab. Verdi geht etwas zu großzügig mit seinem verdienten Geld um, und als seine gerade erst 26-jährige Frau an einer Enzephalitis erkrankt (und stirbt), ist er in Geldnöten. Laut Drehbuch, welches Matarazzo zusammen mit Größen wie u. a. Mario Monicelli, Piero Pierotti und Leonardo Benvenuti verfasste, wird er nun von seinem Produzenten genötigt, die Komische Oper „Un Giorno di Regno“ zu schreiben. Angesichts Verdis gedrückter Stimmung wird diese zu einem Flop. Das haben sich die Drehbuchautoren natürlich nur ausgedacht, tatsächlich hat Verdi dieses Werk aus freien Stücken verfasst, wurde dann jedoch von mehreren persönlichen Schicksalsschlägen getroffen und war einfach nicht mehr für Komische Oper aufgelegt. Was blieb, waren die Buhrufe und Pfiffe des damaligen Publikums.

 

Bekanntlich ist Raffaello Matarazzo, und das schreibe ich mit allergrößtem Respekt, der König des Tränenkinos. Und so stand man nun vor einem Problem: das weitere Leben Verdis war – mal ganz abgesehen von den großen Werken, die er schuf – für Zuschauer eines tränenreichen Dramas jetzt nicht sooo interessant. Und so bastelte man für die zweite Hälfte des Films eine Liebesgeschichte um Giuseppe Verdi und Giuseppina Strepponi (Gaby André), welche in der Realität zwar tatsächlich seine zweite Ehefrau war, aber eben nicht unter den im Film gezeigten Umständen. Zwar war sie tatsächlich kein Kind von Traurigkeit, aber ihre Lebensgeschichte wurde stark verfälscht. Ihre drei Kinder mit verschiedenen Männern waren wohl damals zu starker Tobak fürs Kino. An dieser Stelle breche ich dann auch ab, da es nicht meine Absicht ist, den ganzen Film nachzuerzählen. Auf jeden Fall sind wir spätestens jetzt voll in Matarazzos Terrain, einer Liebesgeschichte, die nur unter widrigsten Umständen und allergrößten Komplikationen zu einem glücklichen Abschluss kommen kann.

 

Die ungekürzte Fassung des Films greift selbstverständlich den politischen Kontext auf, den Verdis Werk unweigerlich mit sich brachte. Die Italiener träumten von der Unabhängigkeit von Österreich, was sich in Verdis Szenen und Texten widerspiegelte. So führt der sogenannte Gefangenenchor in „Nabucco“ zu einem ersten Eklat mit den Österreichern. Überhaupt gelingt es dem Drehbuch meisterlich, persönliche Schicksalsschläge und externe Gegebenheiten mit den Opernszenen zu verknüpfen, für deren Organisation Renzo Rossellini (Robertos jüngerer Bruder) verantwortlich zeichnete - auch wenn einige dieser Lebensereignisse frei erfunden sein mögen. Der Zensur gefiel das dagegen nicht. Erst seit der Restauration des Films durch die Cineteca Nationale ist VERDI, EIN LEBEN IN MELODIEN vollständig verfügbar. Zuvor kursierten zahlreiche gekürzte Fassungen (nahezu jeglicher politische Kontext sowie „Verunglimpfungen“ der Österreicher waren entfernt) sowie S/W-Kopien des in Ferraniacolor gedrehten Films.

 

Die DVD von Filmjuwelen ist ungekürzt und in Farbe. Die Synchronisation ist die der DEFA, ehemalige Fehlstellen wurden deutsch untertitelt. Doch damit enden die guten Nachrichten. Es gibt keine Untertitel für die vollständige italienische Tonspur, und die Bild- und Tonqualität ist jetzt nicht so der Hammer. Zudem müsste es auch eine westdeutsche Tonspur gegeben habe, denn 1955 wurde VERDI, EIN LEBEN IN MELODIEN im Verleih der Schorcht Filmverleih GmbH (München) vertrieben. Oder hatten die nur eine Ostkopie? Wer weiß.

 

Eines sei noch erwähnt: Matarazzo interessierte sich nicht die Bohne für die Erfolgsgeschichte Verdis. Nach Ende der dramatischen Ereignisse um die Liebesgeschichte zwischen Verdi und Giuseppina drückt er auf die Vorspultaste und hakt die übrigen 53 Lebensjahre Verdis in zwei Minuten ab.

 

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