Spezialkommando Wildgänse

Kroatien | Deutschland | Italien, 1970

Originaltitel:

Appuntamento col disonore

Alternativtitel:

Encontro com a Desonra (BRA)

Cita con el deshonor (ESP)

La nuit des assassins (FRA)

Rendez-vous avec le déshonneur (FRA)

Rendezvous with Dishonor

The Night of the Assassin

Regisseur:

Adriano Bolzoni

Inhalt

Als es zwischen Griechen und Türken zu Kämpfen sowie zahlreichen terroristischen Anschlägen während des Zypernkonflikts kommt und die Gewalt auf ihrem blutigen Höhepunkt angekommen ist, nutzt der fanatische Priester Evagoras (Klaus Kinski) die unübersichtliche Lage, um Verhandlungen und jeden Versuch einer friedlichen Einigung zu vereiteln. Dabei geht er mit unerbittlichen Mitteln und Grausamkeit vor. Sein Ziel ist, den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu ermorden, um mit seinem Exempel an die Weltöffentlichkeit zu gelangen. Da das britische Militär die Lage zwischen den verfeindeten Fronten entschärfen soll, entsteht zusätzlicher Zündstoff. Colonel Stephen Mallory (Michael Craig) hat die beinahe unmögliche Aufgabe, mit seinen Truppen für Ruhe und Ordnung zu sorgen, doch die Gewalt kocht immer mehr aus dem Untergrund hervor, außerdem hat Evagoras es auf Mallory abgesehen...

Autor

Prisma

Review

Die präzise Zuordnung in ein bestimmtes Genre erweist sich bei zahlreichen Produktionen als nicht gerade einfach, da es viele Beiträge gibt, die vorgeben, etwas zu sein, das sie keineswegs halten können. Natürlich bekommt man auch diejenigen zu Gesicht, die wenig versprechen, aber überraschenderweise und in vielerlei Hinsicht entschädigen oder mehrere Genres gleichzeitig bedienen. Adriano Bolzonis Beitrag verleitet aufgrund seines deutschen Titels umgehend dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen, was zunächst phasenweise auch gerechtfertigt erscheint. Letztlich wird es aber vor allem diese eher selten behandelte Thematik sein, die nicht nur für Abwechslung, sondern auch für einen ungeahnten Tiefgang sorgen wird. Der Einstieg steht jedoch zunächst ziemlich konträr dazu, da der Beobachter gleich mit einer Exekution konfrontiert wird. Die frühe Phase ist, wie viele nachfolgende Sequenzen auch, mit einschüchternder Hektik und Temperament durchzogen, in denen die Hauptpersonen ihr gesamtes Können unter Beweis stellen. Einerseits liegt die deutliche Konzentration also auf Verbrechen und Gewalt, andererseits zeigen sich jedoch sehr kritische Untertöne, die durch die jeweiligen sehr unterschiedlich, aber vollkommen stichhaltig wirkenden Charaktere transportiert werden. Man nimmt ein Roulette aus Fanatismus und Überzeugung, Idealen, Werten und Moral, Egoismus, Vermessenheit und falschen Sentimentalitäten wahr, das diesen sehr variablen Verlauf bestimmt und permanent für Zündstoff sorgen wird. Die Bebilderung spart sich die naturgemäße Prosa nicht auf, gibt jedoch auch immer wieder kurz Gelegenheit, einige der Beteiligten in ganz aufrichtigen Momenten zu erleben, in denen sie sich für kurze Augenblicke frei von den Rahmenbedingungen machen können. Doch wie es eben ist, setzt die Realität dann wieder blutig zum Überholmanöver an.

 

Adriano Bolzonis Film ist sehr gut mit bekannten Schauspielern ausgestattet, die teilweise ganz besondere Leistungen erbringen. In diesem Zusammenhang ist es eine Offenbarung, Eva Renzi nicht nur als weibliche Hauptperson, sondern auch in einer sehr ausfüllenden Rolle als griechische Partisanin Helena zu sehen, die sie mit viel unbändigem Temperament und charakterlicher Tiefe ausstattet. Dem Empfinden nach handelt es sich dabei um eine Interpretation, die dem Anspruch der Schauspielerin sehr nahe gekommen sein muss, wird sie sich doch in einer von Männern und Zwängen dominierten Umgebung nicht beugen. Ohne Rücksicht auf Verluste kämpft sie für ihre Überzeugung und tut dabei ihre Ideale lauthals und mit eindeutigen Mitteln kund. Einem Offizier von Rang und Namen spuckt sie beispielsweise angewidert ins Gesicht, da er sie mit seinen Blicken ihrer Ansicht nach zu einem Objekt degradiert hat. Sie stellt sich gegen Maschinenpistolen und rücksichtslose Mörder und als ihr eigenes Kind als Schachfigur zwischen den Fronten eingesetzt werden soll, wird sie zur unberechenbaren Furie. Eva Renzi provoziert in zahlreichen ihrer Filme zur Analyse, da es so aussieht, als sei es quasi ihr Grundrecht, es dem Zuschauer abzuverlangen. Es stellt sich somit als sehr große Überraschung heraus, eine tiefgründige und auf Augenmaß angelegte Frauenrolle in einem Beitrag mit derartiger Thematik erleben zu können. Diese wurde obendrein mit der Finesse der schönen Berlinerin ausgestattet. Als Ausgleich für innere Widerstände und Zerreißproben sieht man ausgelassene und unbeschwerte Momente mit ihr und Partner Michael Craig, die durch das malerische Setting an Strand und Meer, in Verbindung mit der beruhigenden Musik von Gianni Ferrio einer Strecke von Traumbildern gleichen. Zumindest so lange, bis die Realität wieder in kalten Bildern einschießt. Erneut umwerfend, diese Eva Renzi!

 

Innerhalb der unbarmherzigen Mechanik von Verbrechen, Gewalt und Mord muss es der Brite Michael Craig mit einer Horde an Gegnern aufnehmen, deren Handlungen nur schwer rational zu erklären sind, was die Angelegenheit natürlich wesentlich erschwert. Erstaunlich ist, dass der Verlauf nicht großartig daran interessiert zu sein scheint, falsche Hoffnungen oder verzerrte Eindrücke aufkommen zu lassen, was gleichzeitig den Weg ebnet und das Ziel suggeriert. Craig bewegt sich resolut in dieser turbulenten Angelegenheit. Interessant ist, dass er ab einem gewissen Zeitpunkt zur Beute wird, obwohl er ja eigentlich als Jäger in die Geschichte integriert wurde. Wer anderes könnte hinter dieser perfiden Umsetzung eines solchen Plans stecken als Klaus Kinski, den man hier als vermeintlichen Würdenträger sieht. Da er sich hinter religiösen Phrasen und einer Soutane versteckt, kann er seinen Kreuzzug dem Empfinden nach ungehindert fortsetzen. Kinski wirkt wie so häufig in einer ungewissen Art gefährlich, seine Stärke entsteht erneut aus der Fähigkeit, dass er der Wolf sein kann, der Kreide gefressen hat. Michael Craig und Klaus Kinski werden über lange Hand als Gegenspieler aufgebaut, sodass der Zuschauer einen ordentlichen Clash und ein spektakuläres Finale erwarten darf, das aufgrund der guten schauspielerischen Kompetenzen verfeinert wird. In diesem Zusammenhang sind natürlich noch die Leistungen von Adolfo Celi als Mann des Widerstandes aus dem Untergrund, sowie George Sanders oder beispielsweise Ennio Balbo zu nennen, die das Geschehen gekonnt abrunden. Eine erwähnenswerte, wenn auch im Vergleich zu Eva Renzi vollkommen untergeordnete Rolle bei den Damen bekleidet die gern gesehene Margaret Lee, die wie so oft geheimnisvoll und unergründlich bleibt. Ein klasse Ensemble, das schließlich das halten kann, was es im Vorfeld verspricht.

 

Wie bereits erwähnt, ist die Thematik nicht uninteressant und auch wenn die Geschichte zunächst nach einem klassischen Politikum aussieht, wird der Verlauf im letzten Drittel etwas kopflastig, verliert deswegen ein wenig das Interesse an eigentlichen Botschaften. Die Erzählstruktur lässt plötzlich ihren klaren Aufbau zu sehr vermissen und es kommt hin und wieder zu Gedankensprüngen, die einfach zu hastig in irgendwelchen unzureichenden Erklärungen hervorgebracht werden. Dieser Eindruck entsteht vielleicht nicht zuletzt dadurch, weil die Konzentration nun hauptsächlich auf reißerische Action und pyrotechnische Spielereien gelegt wurde, und die psychologische Kriegsführung einer mechanischen weichen muss. Denkt man an die sehr dichte Ausarbeitung und die stichhaltige Integration der Charaktere, wirkt diese Kehrtwendung etwas unbefriedigend, weil die Regie ihren nahezu andersartigen Kurs nicht eingehalten hat. Also versucht "Spezialkommando Wildgänse" unterm Strich doch zweigleisig zu fahren, um womöglich so viele Zuschauer wie möglich zu erreichen. Große Stärken erreichen das Auge des Betrachters in Form der charakteristischen Schauplätze, es lässt sich in diesem Zusammenhang eine angenehm wirkende, atmosphärische Dichte ausmachen, die durch bemühte Kamera-Einstellungen an Profil gewinnen, letztlich aber nicht außergewöhnlich wirken. Die Musik präsentiert sich wie ein Chamäleon und passt sich jeder Situation blendend an, es werden Stimmungen fabriziert, die sogar teilweise unter die Haut gehen wollen. Letztlich sieht man mit Adriano Bolzonis Film einen sehr ambitionierten Genre-Beitrag mit vielen beachtlichen Elementen, der allerdings den Mut der Anfangsphase leider nicht bis über die Ziellinie transportieren konnte. Deshalb steht oder fällt die Angelegenheit ganz simpel mit dem Auge des Betrachters. Für Fans von Eva Renzi und Klaus Kinski liegen dennoch willkommene Überraschungen und kleinere Sensationen im Kugelhagel bereit.

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Prisma

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