Shoot First, Die Later

Italien | Mexiko, 1974

Originaltitel:

Il poliziotto è marcio

Alternativtitel:

Salut les pourris (FRA)

It sürüsü (TUR)

Regisseur:

Fernando Di Leo

Kamera:

Franco Villa

Inhalt

Kommissar Domenico Malacarne ist ein Polizist. Ein erfolgreicher Polizist. Mit der perfekten Mischung aus Geduld und Gewalt kann er fast im Alleingang brutale Juwelenräuber festnehmen oder Waffenschmuggler verhaften. Er ist so erfolgreich, dass sein Vorgesetzter ihn vor der versammelten Presse als herausragenden Polizisten lobt. Den Staat kostet diese gute Arbeit 40.000 Lire im Jahr. Die Mafia kostet er 50 Millionen. Soviel zahlt das organisierte Verbrechen jährlich an Malacarne, damit er manchmal nicht so genau hinschaut, verhaftete Waffenschmuggler wieder laufen lässt, oder die Anzeige eines Bürgers wegen eines falsch geparkten Autos verschwinden lässt. Waffenhändler sind eine einfache Sache, die kann man mit einem Federstrich wieder auf freien Fuß setzen, aber mit Anzeigen ist das nicht mehr so einfach: Eine amtlich beglaubigte Anzeige aus einem Büro der Carabinieris zu stehlen, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Vor allem, wenn der diensthabende Beamte der eigene Vater ist. Wenn aber die Anzeige nicht in die Hände des Syndikats kommt, dann überlegen sich die Bosse dass 50 Millionen im Jahr verdammt viel Geld sind, wenn nicht mal eine kleine Anzeige verschwinden kann. Und dass dann eben etwas anderes verschwinden muss. Richtiger: Jemand anders …

Autor

Maulwurf

Review

Eine interessante Ausgangsbasis, die sich Fernando di Leo und Drehbuchautor Sergio Donati da haben einfallen lassen. Zuerst bauen sie die positiv konnotierte Hauptfigur nach allen Regeln des Poliziottescho auf: In einer starken Actionszene wird der Held auf ein paar wehrlose Juwelenräuber losgelassen, jagt in einer verdammt dynamischen Verfolgungsjagd durch ganz Mailand, wird als strahlender und dabei auch noch bescheidener Held der Öffentlichkeit präsentiert – und dann als korrupter Cop demontiert, der die üblen Geschäfte der Mafia nicht weiter stören mag. Und da die Gangster in der Eröffnungssequenz als verdammt harte und dreckige Schweine dargestellt werden ist der Fall des Protagonisten in den Augen des Zuschauers umso tiefer. Lässt er sich doch schließlich nicht mit ein paar Taschendieben, sondern mit wirklich üblen und schießwütigen Typen ein. Na ja, wenn man schon Malacarne heißt – Schlechtes Fleisch …

 

Ich meine, unzählige Polizeifilme aus allen Ländern und allen Epochen haben korrupte Cops als Thema gehabt, und immer ging es dabei (schließlich auch zu Recht) um die Bekämpfung einer ganz üblen Art von Kriminalität. Wer Sidney Lumets SERPICO gesehen hat weiß was ich meine, und der ist immerhin ein Jahr vor di Leos Actionreißer entstanden. Di Leo dürfte SERPICO also gekannt haben, zumal ja auch die Geschichte des Frank Serpico, des New Yorker Polizisten, der sich standhaft geweigert hat jemals Schmiergelder anzunehmen und dafür von seinen Kollegen geschasst und schlussendlich in einer Extremsituation im Stich gelassen wurde, diese Geschichte ist damals durch den Film natürlich auch allgemein bekannt geworden. Und nun geht einer her und nimmt so einen korrupten Beamten als Helden her …

 

Die große Kunst des di Leo ist dabei, Luc Merenda als Kommissar trotzdem in ein gutes Licht zu setzen und ihn tatsächlich als Sympathieträger agieren zu lassen. Malacarne nimmt seinen Job ernst (zumindest einen Teil davon), liebt seine Freundin, verehrt seinen Papa, und wenn er bei den Gangstern mal hinlangt dann rummst es zur großen Freude des Zuschauers so richtig im Karton. Da machen doch die paar Milliönchen Schmiergeld nicht viel aus, oder? Man könnte sogar sagen, dass Malacarne ein echter Italiener ist: Die Liebe zum Papa und zum Mädel auf der einen Seite, und die - ich sag mal - eher lässige Haltung zum Staat auf der anderen Seite; Silvio Berlusconi war da ganz ähnlich, und der war ja zumindest zwischen Rovereto und Catania wirklich beliebt. Will sagen, mit dieser Charakterisierung hat di Leo schon einen wahrhaft italienischen Helden geschaffen, der einem dort auch heute noch jederzeit auf der Straße begegnen kann. Und dieser Held hat ja auch Prinzipien: Bei Kaffee und Zigaretten drückt er die Augen fest zu, mit Drogen will er nichts zu tun haben, da kehrt er den Polizisten raus. Ist er nicht lieb?

 

Diese Gratwanderung zwischen miesem Typen und aufrechtem Helden gelingt di Leo und auch Luc Merenda ganz hervorragend. Vielleicht liegt es daran, dass die anderen Figuren alle sehr schwarzweiss angelegt sind. Auf der bösen Seite der Macht sticht vor allem Raymond Pellegrin als Pascal heraus, ein Schwein wie es im Buche steht, der die Konkurrenzgang nicht nur persönlich niederknüppelt sondern auch noch in die Beine schießen lässt. Richard Conte als (Mafia-)Anwalt Mazzanti kann da nicht so recht mithalten, im Vorgängerfilm DER TEUFEL FÜHRT REGIE war er eine Ecke einprägsamer. Aber auch Conte hat seine Höhepunkte, sie sind nur ein wenig subtiler als die Triumphe von Pascal. Weiter natürlich Rosario Borelli als Malacarnes Kollege Garrito, der ebenfalls munter Schmiergeld einsteckt und mit seiner stoischen Ausstrahlung mächtig punktet. Und rundherum eine heitere Riege Arschgesichter mit harten Fäusten und schnellen Pistolen, wie zum Beispiel zwei portugiesische Waffenschmuggler, die oft ein wenig an Cheech & Chong erinnern, und beispielsweise nach der bezogenen Tracht Prügel bei der Verhaftung erstmal in heftiges Gelächter ausbrechen, da sie ja sowieso Diplomatenpässe haben.

 

Auf der guten Seite dann Delia Boccardi als Malacarnes Freundin Sandra, die zwar in erster Linie nur hübsch schauen darf, das aber dafür sehr gut macht. Und natürlich Vittorio Caprioli: Ein bauernschlauer Neapolitaner, der den Fehler macht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, und das dann auch noch der Polizei meldet. Alle seine Szenen sind wundervoll und leise humorig. Keine Schenkelklopfer, sondern eine stille Heiterkeit, die ungemein Sympathie für den Mann erzeugt. Woraus di Leo dann natürlich wieder seine Vorteile zieht und den Zuschauer durch ein Wechselbad der Gefühle jagt.

 

Die Kamera ist … dynamisch. So sehr, dass sie einmal sogar auf dem Kopf steht, und manchmal ist sie vielleicht ein klein wenig zu sehr auf der Höhe der Action, aber man ist immer dabei und richtig mittendrin, und nach den anderthalb Stunden ist man mindestens so geschafft die Charaktere. Die Musik von Luis Bacalov kann da leider nicht mithalten, dies ist nun definitiv kein Soundtrack den ich mir daheim hinstellen würde. Da das Gedudel aber meist nicht allzu aufdringlich ist kann ich gut damit leben. Schließlich ist an dem Film sonst alles ziemlich rund: Eine starke Story ohne Durchhänger, welche das 08/15-Schema des Großstadt-befriedenden Superbullen angenehm durchbricht, tolle Schauspieler, klasse inszenierte Action bis zum Abwinken, ein sehr intensives und nachhallendes Ende – Ja, was will man denn von einem Poliziottescho mehr als genau diese Zutaten?

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Gesehen wurde die US-amerikanische DVD von Raro USA. Erschienen ist der Film in der Fernando di Leo-Collection 2, gemeinsam mit Naked Violence (deutscher Titel: Note 7 – Die Jungen der Gewalt) und Kidnap Syndicate (auf deutsch: Auge um Auge). Die Filme sind in einer Pappbox in einer jeweils eigenen Amaray, und der Box liegt ein Booklet mit vielen Texten und Hintergrundinformationen bei. Das Bild ist sehr angenehm und lässt keinerlei Wünsche übrig, der Ton liegt vor in englisch sowie italienisch mit englischen Untertiteln. Als Extras zum Film gibt es neben dem italienischen Trailer ein 25-minütiges, englisch untertiteltes, Interview mit Fernando di Leo und ein knapp 20-minütiges, ebenfalls englisch untertiteltes, Interview mit dem Cutter Amedeo Giomini.

Autor

Maulwurf

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