Der Schrecken von Kung Fu

Italien | Japan | USA, 1968

Originaltitel:

Lo straniero di silenzio

Alternativtitel:

Le cavalier et le samouraï (FRA)

The Horseman and the Samurai (USA)

Samurai on a Horse (USA)

The Stranger in Japan (USA)

The Silent Stranger

Der Fremde und der Samurai

Deutsche Erstaufführung:

15. August 1975

Regisseur:

Luigi Vanzi

Inhalt

Der Fremde ergattert während einer handfesten Auseinandersetzung eine japanische Schriftrolle, die mit einem Wert von 20.000 Dollar etikettiert ist. Um den Betrag einzulösen muss der schräge Westernvogel einen gewissen Motori aufsuchen, der seine Zelte in Osaka aufgeschlagen hat. Folglich macht sich der Fremde auf den Weg nach Japan, wo er postwendend von Ganoven und Samurai malträtiert wird. Doch Fisimatenten jeglicher Art sind kein Novum auf seiner Agenda, sodass Stranger-san tiefenentspannt von einem Desaster ins nächste stolpert.

Review

Omotenashi! Das ist mehr als nur Gastfreundschaft. Omotenashi suggeriert nämlich das perfekte Verhältnis zwischen dem Gastgeber und seinem Gast. Etikette ist eine Tugend, die viele Menschen in meinem ruhrpottlichen Umfeld niemals gelehrt bekamen. Im Land der aufgehenden Sonne stellt sie allerdings eine Selbstverständlichkeit dar, was besonders erwähntes Omotenashi reflektiert, denn während dieser Prozedur liest der Gastgeber die Wünsche seines Gasts an dessen Augen ab. Japaner sind halt ganz tolle Menschen, die sich mit ihren vorbildlichen Höflichkeitsformeln einen festen Platz in meinem Herzen erobert haben. Glauben Sie mir! Und fahren Sie mal zum Japan-Tag nach Düsseldorf.

 

Nun stellen Sie mir natürlich die Frage, was dieser Prolog mit dem Eastern/Western-Hybriden „Der Schrecken von Kung-Fu“ (putziger Titel, man sollte dem Verleiher nachträglich China O'Brien auf den Hals hetzen, sodass sie dem Verantwortlichen die Herkunft von Kampsportarten einschlägig definiert) zu tun hat? Nun, wer den Fremden kennt, der weiß, dass dieser den gewohnten „Haushalt“ gewaltig auf den Kopf stellt, sodass man ihn (den Fremden) am liebsten zum Mond schießen will. Da macht sein Trip ins Land der Kirschblüten keine Ausnahme, denn die Nervenkostüme sowie Lachmuskeln von Konkubinen, Samurai und Rōnin müssen zahlreiche und zugleich arg strapazierende Attacken über sich ergehen lassen.

 

„Putziges Völkchen!“ (Der Fremde)

 

Bevor es allerdings nach Japan geht, stampft der Fremde durch den westlichen Schnee und gelangt in den Besitz einer ominösen Schriftrolle, für die er abkassieren will. Einhergehend lotst uns seine Erzählerstimme zum Zweck des Abkassierens vom Wilden Westen in den noch wilderen Osten, wo Luigi Vanzi Corbuccis „Django“ sowie diverse Jidai-gekis wie „Die sieben Samurai“, „Yojimbo“, „Sanjuro“, „The Sword of Doom“ und Teile der „Zatoichi-Filme“ zitiert.

 

Folglich ist die Festtagstafel fein dekoriert und der Zuschauer darf sich (seiner Reflektorfigur, dem Fremden, folgend) auf eine unterhaltsame Japanreise freuen. Eine Reise, die uns unter anderem mit einer Sprachbarriere konfrontiert, welche den Stranger herzlich wenig tangiert, denn wenn nix mehr möglich scheint, kann er schließlich noch seinen Namen tanzen oder seine Anliegen mit dem Malerpinsel darstellen.

 

Folglich darf man sich auf zahlreiche kuriose Konstellationen gefasst machen, welche die Position des Fremden fortwährend zwischen über- und unterlegen chargieren lassen, denn sollte er in einer kniffligen Situation dem Untergang entgegensteuern, so kommt ihm postwendend ein Geistesblitz, der ihn wieder in sichere Gefilde bugsiert. Währenddessen krümmen sich so einige Japaner vor lachen auf dem Boden, denn die Berechnungen des Fremden sind schließlich nicht immer von Erfolg gekrönt. Einhergehend transportiert Tony Anthony (s)eine Stranger-typische Mimik, welche automatisch für gute Laune im Land des Zuschauerlächelns sorgt. 

 

„Er mir sagen, du sollen verlassen unser Land. Du uns können nicht verstehen!“ (Prinzessin)
„Was gibt’s da groß zu verstehen, wenn’s um die Moneten geht ist es hier so wie bei uns drüben. (Der Fremde)

 

Der Italo-Western hatte die Welt der Guten radikal abgeschafft und wenn ihre Pro- beziehungsweise Antagonisten sich dennoch zusammenrauften, dann geschah es nicht aus menschlicher Solidarität, sondern als eine zweckorientierte Partnerschaft, deren Beteiligte sich nach erfolgreicher Mission locker und lässig voneinander trennen konnten, und sei es mit einer letzten Grußbotschaft aus dem zuverlässigsten aller IW-Problemlöser: dem Colt. Mit den Jahren fing das das Genre an sich von dieser, ihn prägenden Formel zu trennen, was gleichzeitig die Türen für eine Rezeptur namens Humor öffnete, welcher den Männlichkeitskult der Antihelden parodierte. Ungeachtet diverser Spencer/Hill-Vehikel unterwarf sich auch die Figur des Fremden (das perfekte Chiffre für einen IW-Antihelden) einer humoresken Marschroute, die sich - und das gefällt mir bestens – niemals in einen penetranten Klamaukgestrüpp verirrte.

 

Der Fremde war allerdings eh nie ein Freund erwähnter Partnerschaften und legte sich (mehr oder weniger erfolgreich) mit allen und jedem an. An dieser seiner Überzeugung kann auch sein Ausflug nach Japan nichts ändern, welcher - im wahrsten Sinne des Wortes - zwei Welten aufeinanderprallen lässt. Besonders amüsant finde ich eine Szene, in der Tony Anthony ein Washitsu betritt und dort auf einen Tätowierer und sein vor Schmerzen schreiendes Modell trifft. Nachdem der Fremde die Situation nicht so recht begreifen kann, steckt er sich letztendlich das Handwerkzeug des Tätowierers in die Jackentasche. Eine Prozedur, die uns verdeutlicht, wer wirklich die Tätowierkunst in den Westen importierte.

 

Action und Dialog halten sich beim „Schrecken von Kung-Fu“ die Waage. Beides ist mit einigen Lachern garniert und artet zu keiner Zeit in Langeweile und (wie bereits erwähnt) niemals in Klamauk aus. Währenddessen nehmen sich der Stranger und seine Gegenspieler gegenseitig aufs Korn. Wer dabei den längeren Atem beweist, sollte klar sein…oder nicht?    

 

Fazit: Wenn der Fremde nach Japan kommt, um Geld zu verdienen, dann können sich die Einheimischen warm anziehen und vor allen Dingen reichlich Beruhigungsmittel schlucken. Schließlich lässt der Stranger im Land der aufgehenden Sonne den Kampf um eine Schriftrolle zu einem außerordentlichen Wirrwarr transformieren. Schlussendlich steht der kleine Chaot jedoch mit leeren Händen da, aber auch das ist für ihn kein Grund zur Resignation, denn anstatt des Reichtums hat er das Herz der kleinen japanischen Prinzessin erobert und deren strahlendes Lächeln lässt ihn schnell den materiellen Verlust abhaken und gut gelaunt in Richtung Heimat reiten. Sayonara, Stranger-san!

 

PS: Die deutsche Synchronisation legt der Prinzessin innert des Finales die Worte Ninjin-san in den Mund, womit das Mädchen den Fremden suggeriert. Ninjin bedeutet zu Deutsch Mohrrübe und gemeinsam mit -san Herr Mohrrübe. Der japanische Kindermund würde in diesem Fall jedoch wohl eher die Anrede -chan verwenden, was das Wortkonstrukt respektive den Fremden zum deutschen Mohrrübchen erklärt.

 

Ich darf übrigens -san schreiben, da ich den Fremden nicht kenne und (zumindest überwiegend) kein Kind mehr bin. Also betrachten Sie den Einwurf bitte nicht allzu kritisch, machen Sie es gut und vergessen Sie niemals, dass man ab und an einfach mal lachen muss, um die subjektive Welt wieder ins Lot zu rücken! Der Fremde kann das, und Sie können das - da bin ich mir sicher - ebenfalls!

 

In diesem Sinne: Sayonara, Leser(in)-chan.

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