Red Riding Hood

Italien, 2003

Originaltitel:

Cappuccetto Rosso

Regisseur:

Giacomo Cimini

Inhalt

Die zwölfjährige Jennifer McKenzie (Susanna Satta) hat es in ihrem bisherigen Leben wahrlich nicht leicht gehabt: Nachdem ihrem über alles vergötterten Daddy (Devin McKinney) -ein gnadenloser Richter am obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten in New York- vor laufender TV-Kamera eiskalt das Lebenslicht ausgeblasen wurde, verschlägt es Jenny mit ihrem Schoßhund George nach Rom, da sowohl ihre leibliche Mutter (Arianna Iachetti) als auch ihre Stiefmutter keinerlei Interesse für sie zeigen. Die eine verbrachte ihre kostbare Zeit viel lieber mit ständig wechselnden Toyboys, anstatt sich um ihre zuwendungsbedürftige Tochter zu kümmern und die andere machte sich irgendwann mit ihrer allerneuesten Errungenschaft gänzlich aus dem Staub. Aktuell bewohnt Jenny gemeinsam mit George -der mittlerweile zu einem großen und bösen Killerwolf herangereift ist- eine luxuriöse Penthousewohnung inmitten der italienischen Hauptstadt, von wo aus sie ihre Ausbildung verbessert, der Gerechtigkeit dient und die Wahrheit  wiederherstellt -also  im Grunde alles das, was sich ihr Vater von ihr gewünscht hätte. Was zunächst vernünftig klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein sehr krudes Rechtsverständnis, mit dem Jenny und ihr Gehilfe George vermeintliche Gesetzesbrecher aburteilen. Egal ob Gauner, notorische Lügner, Ehebrecher oder Betrüger - für Jenny sind sie alle gleich und verdienen somit auch die ein und dieselbe Strafe: den bitteren Tod! Dumm nur, dass plötzlich ihre Großmutter Rose (Kathleen Archebald) unerwartet vor der Tür steht. Vom Gericht zum gesetzlichen Vormund erklärt, möchte Rose ihre Enkeltochter wieder mit zu sich nach New York nehmen, was dem kleinen Satansbraten wiederum so rein gar nicht zu schmecken scheint. Wird es der ahnungslosen Großmutter gelingen, die selbsternannte Juniorrichterin ihres Amtes zu entheben oder schwebt sie vielleicht schon längst selbst in Lebensgefahr und weiß es nur noch nicht?

Review

"Ich - das rechtschaffende Rotstiefelchen Jennifer und mich
- der große, böse Wolf George" 


Es ist kaum zu glauben, aber dieser unbeschreibliche Genre Mix funktioniert letzten Endes einwandfrei, denn Giacomo Cimini ist es mit seinem bis dato einzigen abendfüllenden Spielfilm gelungen, Elemente aus psychohaften Märchen-, Slasher-, Horror-, Splatter,- und Folterfilmen erfolgreich miteinander zu vermengen. Abgerundet wird das Ganze mit einer tadellosen Kamerarbeit, die zugleich mit ihren ansehnlichen Bildeinstellungen für einen leicht mitschwingenden Giallo-Effekt sorgen. Hinzu kommen zahlreiche dezente Farbakzente, die in Verbindung mit den düsteren Locations die bereits sehr angenehme Atmosphäre weiter verdichten. Das war es dann aber auch schon, was dieser Film mit dem klassischen Giallo gemein hat, denn der Rest wirkt eher wie ein märchenhafter Horror-Trip, aus dem es sowohl für die wahllos Verurteilten als auch für die bereits nach kürzester Zeit ordentlich gebeutelte Großmutter kein Entrinnen mehr zu geben scheint.

 

Giacomo Ciminis RED RIDING HOOD hat zwar inhaltlich nicht allzu viel mit dem Grimmschen Märchen gemein, zumal sich unsere 12-jährige Hauptprotagonistin nicht gerade als ein frommes Mädchen entpuppt. Anstatt friedlich im nahe gelegenen Wald herumzutollen und der erkrankten Großmutter hilfsbereit zur Seite zu stehen, schafft die in Rom alleinlebende Jennifer gemeinsam mit ihrem imaginären Freund -dem großen, bösen Wolf George- den lieben langen Tag über Recht. Dabei werden dann nicht nur diebischen Elstern fein säuberlich die Griffel von den restlichen Armen abgetrennt oder fachgerechte Beinamputationen ambulant auf der Straße durchgeführt, sondern es wird auch noch genagelt was das Zeug hält - und zwar mit einer leistungstarken Nagelmaschine eines renommierten Werkzeugherstellers. Ihr größtes Idol -gleich nach ihrem Vater- stellt dabei der einzigartige und bislang unerreichte 'Don Quixote de la Mancha' dar, weil er das glaubt, was er glauben will und die Welt mit anderen Augen ansieht, als die meisten Menschen.

 

Ein sehr gutes Händchen bewies Cimini bei der Wahl seiner jungen Hauptdarstellerin, denn Susanna Satta verkörpert das selbstjustizielle Rotstiefelchen mit äußerster Bravour: ein garstiges Girl, das weder auf den Mund gefallen ist, noch seine Pillen zu den verordneten Zeiten zuverlässig einzunehmen scheint - denn anders lässt sich das bereits in jungen Jahren angestaute Wahnpotenzial nicht erklären. Zwar wirkt ihr Rollencharakter Jenny rein äußerlich psychopathologisch unauffällig, aber im Hintergrund scheint ihre zerebrale Schaltzentrale zu kochen, denn die minderjährige Vollstreckerin hat ordentlich einen an der Klatsche. Hinzu kommt ein infernales Dauergrinsen, das gemeinsam mit der leicht satirischen Humornote des Films nichts Gutes erahnen lässt.

 

Abschließend noch ein paar Worte zu Giacomo Cimini, den es 2005 nach seinem erfolgreichen Abschluss im Studienfach Kommunikationswissenschaften nach London verschlug, wo er sogleich das Handwerk des Filmemachens an der 'London Film School' perfektionierte. RED RIDING HOOD, sein bis dato einziger abendfüllender Spielfilm, entstand aber schon im Jahr 2003, nachdem er zuvor bereits zwei Kurzfilme fertiggestellt hatte. In einem Interview erzählte Cimini, dass er im Alter von 24 Jahren von der Produzentenlegende Ovid Assonitis (THE CHILD - DIE STADT WIRD ZUM ALPTRAUM, MONDO CANNIBALE, FLIEGENDE KILLER - PIRANHA II) das unfassbare Angebot unterbreitet bekam, RED RIDING HOOD zu inszenieren. Zwar habe er das Angebot dankbar angenommen, aber letztendlich war es nicht die Art Film, mit der er sich persönlich identifizieren konnte. Für Cimini war der Film lediglich eine Auftragsarbeit, die ihm bestenfalls als Sprungbrett für eine zukünftige Karriere als Filmemacher dienen könnte. Seine wahre Leidenschaft sind Science-Fiction-Filme wie beispielsweise sein letzter Kurzfilm THE NOSTALGIST, der 2014 entstand und auf zahlreichen internationalen Filmfestivals (Palm Spring Shortfest, Leeds International Film Festival, Cyborg Film Festival, RAE Science Festival, Trieste Science + Fiction, Utopiales...) preisgekrönt wurde. Obendrein wird der Kurzfilm exclusiv auf Youtube von WIRED präsentiert und steht in den Online-Shops von Apple, Amazon und Google zum Download zur Verfügung.

 

Fazit: Ein außergewöhnliches Filmgemisch, das in der italienischen Horrofilmlandschaft seines Gleichen sucht.

Links

OFDb
IMDb

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