Pistoleros

Italien | Spanien, 1965

Originaltitel:

All'ombra di una colt

Alternativtitel:

A Sombra de um Revolver (BRA)

Plazo para morir (ESP)

Un mercenaire reste à tuer (FRA)

Desordem na Terra dos Gringos (POR)

In a Colt's Shadow (USA)

Deutsche Erstaufführung:

07. Oktober 1966

Kamera:

Julio Ortas

Inhalt

Steve Blaine und Duke Buchanan verdienen sich als Kopfgeldjäger ihren Lebensunterhalt. Der jüngere der beiden, Steve, will sich allerdings aus dem bleihaltigen Geschäft zurückziehen, heiraten und Farmer werden. Seine auserwählte Ehefrau ist ausgerechnet Dukes Tochter, Susan. Für den alternden Pistolero ein Tabubruch, denn sollte Steve seinen Plan in die Tat umsetzen, so wird Duke ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen. Steve widersetzt sich allerdings den Prinzipien seines Begleiters, und zieht gemeinsam mit Susan in ein kleines Städtchen, in dem der Ganove Jackson das Regiment führt. Da sich Steve grundsätzlich nichts vorschreiben lässt, legt er sich postwendend mit Jacksons Bluthunden an.

Review

Der Drehbuchautor, Giovanni Grimaldi, ist in erster Linie als Regisseur von mittelprächtigen Italo-Komödien bekannt. Sein Regiedebüt feierte er allerdings mit „Pistoleros“, einem IW, der der Frühphase des Genres entstammt und deutliche Affinitäten zum US-Western aufweist. Dass eine solche Konstellation durchaus erfolgreich sein kann, beweist u. a. Primo Zeglios „Die vier Geier der Sierra Nevada“, von dessen Güteklasse „Pistoleros“ jedoch ein kleines Stück entfernt ist.

 

Ein Attribut, das eindeutig für „Pistoleros“ spricht ist die Kameraarbeit von Julio Ortas, der auch gleich mit einer interessanten Weiteinstellung loslegt. Präsentiert wird eine nahezu vegetationslose Landschaft, umgeben von staubigen Anhöhen, in High-key-Fotografie. Am Horizont lassen sich zwei kleine Figuren erkennen, die langsam in den Vordergrund reiten. Anschließend werden uns per Nahaufnahme die beiden Hauptpersonen, Steve und Duke, vorgestellt. Zwei Revolverhelden, die für eine entsprechende Prämie alles und jeden niedermähen. Diese, in ihrem Job simultan agierenden Kopfgeldjäger unterscheiden sich allerdings in ihren Zukunftsvisionen.

 

Der eine, Steve, will heiraten und sich zur Ruhe setzten, der andere, Duke, distanziert sich, aufgrund negativer Erfahrungen, von einem friedvollem Leben und will weiterhin „den Colt sprechen lassen“. Die Tatsache, dass Steve ausgerechnet mit Dukes Tochter, Susan, den gemeinsamen Lebensabend einläuten will, sorgt für eine pessimistische Grundstimmung im Stile einer griechischen Tragödie

 

Grimaldi leitet dieses mögliche Trauerspiel auch erfolgversprechend ein, bietet ein erregendes Moment und steigert die Spannung zwischen den beiden Personen, bricht dann allerdings abrupt ab, um den Film in eine andere Richtung zu lenken. Es folgt die Geschichte eines Fremden, der gemeinsam mit seiner angehenden Ehefrau in einem von Ganoven tyrannisierten Westernstädtchen eintrifft und dort entgegen seiner neu definierten Prinzipien wieder zum Colt greifen muss.     

 

Ein Fremder, der auf sich allein gestellt einer Übermacht gegenübersteht ist im Westernkino ein florierendes Grundschema, das man in amerikanischen wie europäischen Genreproduktionen entdecken kann. Dieser unbekannte und ungebetene Gast wird von unterschiedlichen Charakteren verkörpert. Schweigsame oder redselige, offensive oder defensive, gepflegte oder ungepflegte Figuren. Grimaldis „Pistolero-Held“, Steve Blaine, agiert primär pampig sowie schnippisch und fällt ab und an mit seinem übersteigerten Selbstbewusstsein auf die Schnauze.

 

Mit seinem Outfit, ein blütenweißes Hemd und eine eng geschneiderte, schwarze Hose, wirkt der ehemalige Pistolero äußerst cool. Doch weicht sein schickes Äußeres deutlich vom stereotypen Style seiner IW-Nebenbuhler (aus der Hochphase des Genres) ab. Man könnte Steve (in optischer Hinsicht) mit dem Charakter Gauche („Rivalen unter roter Sonne“) vergleichen, allerdings gilt es zu beachten, dass zwischen einem Stephen Forsyth und einem Alain Delon (in schauspielerischer Hinsicht) Welten liegen, denn Forsyth bietet einige Momente in denen er sich nahezu stocksteif bzw. hölzern durch das frühe IW-Vehikel bewegt. Situationen, die (böse formuliert) an der Grenze zur Peinlichkeit liegen.

 

Weitere auffällige Charaktere sind Franco Ressel als Jackson, der mit viel Selbstgefälligkeit und der geschmacklosesten Frisur jenseits des Pecos „glänzt“, sowie Franco Lantieri als Bankier Burns, der ein wenig an Harald Leipnitz erinnert. Zudem sei Andrea Scotti als knuffiger Revolverheld, Oliver, erwähnt. Von der rassigen Helga Liné hätte ich mir weniger Transparenz und zugleich eine größere Gewichtung ihrer Rolle gewünscht, denn der Regisseur hält seinen Blickfang leider an der kurzen Leine.

 

„Pistoleros“ macht einen sehr kostengünstigen Eindruck. Die Kulissen beschränken sich auf das Nötigste, und der Einsatz von Statisten wurde äußerst gering gehalten. Das Drehbuch ist allerdings bestrebt den Zuschauer mit möglichst viel Abwechslung zu versorgen. So wird innerhalb des ersten Drittels u. a. ein Konflikt demonstriert, bei dem die beiden Kopfgeldjäger und Auftragskiller ein mexikanisches Bauerndorf gegen marodierende Banditen verteidigen. Das Bilddesign setzt auf Schattenprojektionen und eine überzeugende Schnitttechnik. Diese wie auch weitere Bildkompositionen machen einiges her, denn Julio Ortas macht – wie ich bereits schrieb - einen sehr guten Job.

 

Bezüglich des Storyablaufs gilt es zu beachten, dass die Hassbeziehung zwischen Steve Blaine und Duke Buchanan nicht fundiert wird, da die angedeuteten Charakterstudien verebben. Geachtet des eher auf Unterhaltung und weniger auf Psychospielchen ausgelegten Filmschemas, mag ich dieses nicht als Defizit bezeichnen. Grimaldi lässt halt zwei Geschichten parallel laufen, welche ineinander münden. So kann der Verzicht in die Tiefe zu gehen (was den Männerstreit in die sekundäre Position verschiebt) nicht verhindern, dass es zum entscheidenden Zusammentreffen der beiden Rivalen kommen wird.

 

Eine Konfrontation, bei der es dem jüngeren Kontrahenten nicht gestattet wird in das Gesicht seines ehemaligen Partners zu schlagen. Der symbolische Aufruhr gegen die autoritäre und orthodoxe Generation wird somit untersagt. Trotzdem fungiert Steve als eigentlicher Sieger, denn er ist es, der die Chance auf einen Neuanfang erfolgreich genutzt hat und den Anforderungen eines bürgerlichen Lebens gewachsen scheint. Duke hingegen verlässt das Schlachtfeld als Verlierer und zugleich eine der vielen Geschichten aus dem Wilden (italienischen) Westen.

 

Fazit: „Pistoleros“ lässt (s)einen früh aufgebauten Männerkonflikt überwiegend einschläfern und spielt diesen erst innerhalb des Finales aus. Der Showdown bietet somit eine Konfrontation, die so ähnlich schon einmal stattgefunden hat, und lt. Karl Marx geschieht Historie, dass eine Mal als große Tragödie, dass andere Mal als lumpige Farce,… bei „Pistoleros“ kommt sogar noch etwas Kitsch hinzu.

 

Unter dem Strich resultiert ein kostengünstig inszeniertes, teils naiv wirkendes Produkt aus der Frühphase des Italo-Western, welches (ungeachtet des Entmythologisierungsakts à la Ford und Peckinpah) dem Genrerevisionismus einiger italienischer Regisseure jederzeit motivierend wie auch provokant gegenübersteht.

Veröffentlichungen

„Pistoleros“ wurde im Juni 2017 von Koch Media als die Nummer 2 der Westernhelden-Reihe erstmals (in Deutschland) auf Blu-ray und DVD veröffentlicht. Beide Datenträger sind in einem Blu-ray-Case enthalten, welches mit einem O-Ring Schuber aufgehübscht wird. Der FSK-Flatschen lässt sich (vorher mit einem Fön etwas erhitzen) problemlos und ohne Rückstände ablösen.

 

Das Bild der Blu-ray ist hervorragend. Kräftige Farben, ein gestochen scharfes Bild und reichlich Filmkorn. Als Extras werden ein Interview mit dem Filmkomponisten, Nico Fidenco, sowie der italienische und der (rotstichige) deutsche Trailer geboten.

 

IW-Fans können bedenkenlos „zuschlagen“.

 

PS: Für die Screenshots diente die DVD als Vorlage.

Links

OFDb
IMDb
Film Maniax

 

 

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