OSS 117 - Pulverfass Bahia

Frankreich | Italien, 1965

Originaltitel:

Furia à Bahia pour OSS 117

Alternativtitel:

OSS 117 furia a Bahia (ITA)

Furia en bahía (ESP)

OSS 117: Mission for a Killer (USA)

Kommando Bahia

Mission for a Killer

Deutsche Erstaufführung:

19. November 1965

Regisseur:

André Hunebelle

Inhalt

In Brasilien ist es zu mehreren Attentaten auf Politiker und ranghohe Offiziere gekommen. Bei den Tätern, welche die Anschläge niemals überlebten, handelt es sich allerdings um integere und geschätzte Persönlichkeiten, deren plötzlicher Sinneswandel unerklärbar scheint. Um des Rätsels Lösung dennoch zu ergründen schickt Frankreich seinen besten Mann, den Agenten Hubert (ausgesprochen: Ühbär) Bonnisseur de la Bath, nach Südamerika, sodass Pelés Kinderstube gründlich auf den Kopf gestellt und den einheimischen Señoritas noch gründlicher die hübschen Köpfe verdreht werden, doch hinter mancherlei hübschen Antlitz(en) verschanzen sich vielerlei listige Schlangen.

Review

Die Dreyfus-Affäre ist eine französische Wunde, der bis heute kein erfolgreicher Heilungsprozess attestiert werden kann. Der Stachel sitzt einfach zu tief, sodass der Franzose seit jeher der Polizeigewalt sowie Bespitzungsaktivitäten ablehnend gegenüber stand und steht. Französische Künstler respektive französische Kulturschaffende standen angeblich besonders im Fokus von Überwachungen. Dieses würde auch erklären, warum Ulrike Meinhof ausgerechnet einen Brief an Jean-Paul Sartre schrieb und an dessen Einfühlvermögen appellierte, um den Philosophen zu einem Besuch in Stuttgart Stammheim zu bewegen. Meinhof berichtete unter anderem von Folter und das man Andreas Baader ermorden will. Sartre folgte der Einladung, sprach mit Baader und teilte anschließend seine Eindrücke auf einer Pressekonferenz (die von den RAF-Anwälten organisiert wurde) mit, was innert der bundesrepublikanischen Polit-, Polizei- und Presselandschaft für einschlägige Empörung sorgte und zudem als einer der Indikatoren für spätere (Stammheimer) Mord-Theorien (die vor knapp zwei Jahren mit dem Tatort „Der rote Schatten“ reanimiert wurden, was den selbstverliebten Aust auf die Palme brachte) diente.

 

Die Aversion gegenüber erwähnter Polizeigewalt sowie Bespitzungsaktivitäten hatte zur Folge, dass der Geheimagent im Fundus der französischen Lichtspiele niemals heroisiert wurde, wie es bei seinen amerikanischen und englischen Kollegen respektive in deren Vehikeln der Fall war und ist. Die französischen Filmregisseure tränkten ihre Agenten bevorzugt in einer parodistischen Essenz, welche in ihrem weiteren Entwicklungsverlauf (dem der entsprechenden Leinwandagenten) mit einer kritischen Formel angereichert wurde. Es resultierten Filmcharaktere wie der versoffene FBI-Mann Lemmy Caution oder der seinerzeit bereits als Romanfigur bekannte Geheimagent Francis Coplan, der von der deutschen Bearbeitung auch auf die Rufnamen Jack Clifton, FBI-Agent Cooper sowie Frank Collins 999 und Jeff Collins umgetauft wurde.

 

Der Erfolg, welcher „Liebesgrüße aus Moskau“ an den Kinokassen beschieden war, motivierte die französischen Produzenten, die 1963 vollzogene Reanimierung des 1956 auf der Leinwand debütierenden Agenten OSS 117 zu manifestieren, um ihn in den Folgejahren als gallischen Bond über die Kontinente zu jagen. Einer dieser Reiseaufträge firmiert in Deutschland als „Pulverfass Bahia“.



Nach einer Zusammenkunft mit dem großen Koordinator des französischen Geheimdiensts, welcher vor dem Hintergrund einer romantischen Schneelandschaft, die Ühbärs momentanes Urlaubparadies reflektiert, folgt die Einweisung in - einer geht noch - Ühbärs jüngsten Auftrag, der ihn zum Zuckerhut führen wird, um in dessen Umfeld (als Journalist getarnt) die Attentate auf die Polit- und Militärprominenz zu ergründen und die Verantwortlichen dingfest zu machen.

 

Wie für einen an der James Bond-Figur angelehnten Geheimagenten üblich, lernt OSS 117 nach seiner Ankunft in Südamerika auch prompt drei überaus attraktive Ladies (die eine geht - die nächste kommt) kennen. Nachdem diese Erstbegegnungen die Fragen nach den wahren Identitäten der Damen nicht beantworten, liefern deren zweite (im selben Zyklus ablaufenden) Auftritte allerdings ein transparentes Bild, welches die Mädels nach einem simplen Gute und Böse-Schema kategorisiert. Nach genauerer Betrachtung geben sich die drei Landesschönheiten als mit dem Gesetz konfligierende Vamps mit flapper- Einschlag (Conchita, Consuela) und als das naive wie monogame it-girl (Anna Maria) zu erkennen.

 

Neben den ersten Flirts lassen auch die ersten Anschläge (Hafen, Operationssaal) auf OSS 117 nicht lang auf sich warten. Innerhalb zweiter Location, dem Operationssaal, geht es zwar mächtig und zum Teil auch mitreißend zur Sache, aber: die Actionsequenzen werden - und so etwas kann ich überhaupt nicht leiden - wesentlich schneller abgespielt als es die eigentliche Montage reflektieren soll. Auf diese Weise werden Affektbilder kreiert, deren negativer Impuls dem Zuschauer zu der Erkenntnis verhilft, dass die eigentlich ordentlich inszenierten Actionsequenzen einfach nur ihrer Intensität beraubt und nicht - wie vermutlich beabsichtigt – mit zusätzlicher Rasanz bereichert wurden.

 

„Noch nie ist in der Welt etwas Großes erreicht worden ohne Gewalt.“

 

Der Kern des Films, der geplante Umsturz der brasilianischen Regierung durch eine kleine Militäreinheit, dient einerseits als Motivation für Bewegung und einhergehende Retardierungen, andererseits reflektiert dieser Parallelen zum 1964 in Brasilien praktizierten Militärputsch (welcher den damaligen Präsidenten, João Goulart, seines Amtes enthob) unter Führung von General Castelo Branco. Der Umsturz wurde mithilfe des US-Geheimdienstes, dem CIA, der seine schmutzigen Finger in vielen schmutzigen Spielen hatte, was dem Geheimdienst unter anderem den cineastischen Status eines Prügelknaben einbrachte und ihn vom allegorischen Drachentöter, dem FBI, divergieren ließ und lässt, verwirklicht.

 

Obwohl sich der Agentenfilm bevorzugt an einst mehr oder weniger gegenwärtigen politischen Versatzstücken bediente, konnten die französischen wie italienischen Produzenten und Regisseure unter dem Strich wahrlich keine filmkünstlerischen Highlights (mir ist schon so mancher Murks untergekommen) schaffen, was oftmals ihren - nicht allein im Vergleich zu den Bond-Filmen - schmalen Budgets geschuldet war. Die OSS 117- und Agent 505-Filme mit dem Tausendsassa Frederick Stafford (der eigentlich Friedrich Strobel von Stein heißt, sein Künstler(nach)name könnte demnach bewusst auf Sir Edward Stafford, dem ersten Doppelagenten der Neuzeit, verweisen) lassen sich entgegen dieser Einschätzung als überaus angenehme Missionen ausbuchstabieren.

 

Fazit: Ich habe geflissentlich wenig über den Film geschrieben und stattdessen einiges über Eurospy und die das Genre begleitenden politischen Ereignisse sowie diverse Institutionen und deren Machenschaften verlauten lassen, was letztendlich nicht bedeutet, dass „OSS 117 - Pulverfass Bahia“ einem reizlosen Vehikel gleichkommt. Ganz im Gegenteil, denn die Koproduktion der Länder Italien und Frankreich ist ordentlich fotografiert sowie gut besetzt und der freiwillige wie unfreiwillige Humor kann erfolgreich zünden, sodass jenes im Titel gepriesene Pulverfass das macht, was alle Pulverfässer machen, sobald die Flamme die Lunte niedergebrannt hat…

Links

OFDb
IMDb



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