Note 7 - Die Jungen der Gewalt

Italien, 1969

Originaltitel:

I ragazzi del massacro

Alternativtitel:

La jeunesse du massacre (FRA)

The Boys Who Slaughter (UK)

Sex in the Classroom (IR)

A mészárlás fiai (HUN)

Naked Violence (USA)

Regisseur:

Fernando Di Leo

Kamera:

Franco Villa

Inhalt

An einer Abendschule für sozial benachteiligte und schwer verhaltensauffällige Jugendliche kommt es eines Tages zu einem abscheulichen Vorfall, wobei eine junge und ehrenamtliche Lehrerin von ihrer völlig enthemmten Schulklasse im kollektiven Absinthrausch gepeinigt, vergewaltigt und nach einem einstündigen Martyrium grausamst zu Tode gebracht wird. Die Polizei steht dem bestialischen Treiben völlig sprachlos gegenüber und beauftragt daher den unbändigen Kommissar Duca Lamberti (Pier Paolo Capponi) mit den Ermittlungen nach den minderjährigen Übeltätern. Nachdem dieser die absinthisierten Missetäter recht flott in der städtischen Nacht-Club Szene aufstöbern und einkassieren konnte, unterzieht er jeden Einzelnen nach und nach einem polizeilichen Verhör, wobei die angewandten Methoden zwar einen recht kruden Beigeschmack, aber letztendlich nicht den erhofften Erfolg mit sich bringen. Die wermütigen Jungen der Gewalt legen während des mehrtägigen Verhörmarathons eine völlig teilnahmslose und gleichgültige Haltung an den Tag und plädieren allesamt aufgrund des kollektiven Rauschzustands auf Unzurechnungsfähigkeit, da sich keiner der Angeklagten im Nachhinein auch an nur ein einziges Detail der barbarischen Gräueltat erinnern kann. Aber an den vermeintlichen Wermut-Lieferanten können sich dann plötzlich wiederum alle erinnern und benennen gemeinschaftlich den Außenseiter der Klasse als die Wurzel allen Übels. Da dieser aber als Einziger eine weiße Weste vorzuweisen hat und zudem überzeugend seine Unschuld beteuern kann, wägt sich der unbarmherzige Ermittler bereits kurz vor dem Ziel. Doch am nächsten Morgen ist der einzige aussagewillige Gewaltjunge urplötzlich tot. War es Mord oder Selbstmord?

 

„Sie haben also keine Gewalt angewendet, dafür aber etwas viel Schlimmeres getan: Sie haben diese Kinder niedergemacht und gedemütigt. Sie haben sie wie den letzten Dreck behandelt und mit diesem stinkenden Fusel begossen. Ich an Ihrer Stelle würde nicht lachen! Wissen Sie was passiert, wenn der Amtsrichter davon Wind bekommt?“

 

Ungeachtet der aktuellen Geschehnisse hat der unnachgiebige Kommissar weiterhin nur noch das eine Ziel vor Augen: Den tatsächlichen Drahtzieher dieser bestialischen Orgie für immer dingfest zu machen. Bleibt nur noch die Frage, ob sein ehrenwertes Bestreben letztendlich auch von Erfolg gekrönt sein wird...?

Review

1969 bescherte Regisseur Fernando Di Leo der Genre-Filmwelt einen ganz besonderen Leckerbissen in Form dieses wermuthaltigen Kriminal-Spektakels, welches für seine Zeit recht radikal in Szene gesetzt wurde. Schon gleich zu Beginn wird der Zuschauer mit erschreckenden Bildausschnitten der barbarischen Tat an der hilflosen Lehrerin konfrontiert, wobei diese zum Ende des Films ein weiteres Mal, völlig ungeschönt im vollen Ausmaß ihrer Heftigkeit serviert werden und dabei der Magengrube einen wuchtigen Tritt versetzt. Zudem ist die Abschlusssequenz mit einer dermaßen verstörenden Filmmusik unterlegt, so dass der albtraumlastige Unheimlichkeitsfaktor des Szenarios noch um ein Weiteres gesteigert wird. Inszenierungstechnisch wird über weite Strecken ein eher dokumentarischer Stil an den Tag gelegt, der dann am Besten während des recht rabiaten Verhörmarathon zur Geltung kommt. Die Kameraarbeit von Franco Villa ist über jeden Verdacht erhaben und sorgt während des gesamten Filmverlaufs für eine wohlige Atmosphäre. Zudem bedient sich die Inszenierung bei mehreren Genres und entpuppt sich schlussendlich als ein gelungener Hybrid aus Poliziesco und Giallo.

 

Thematisch wird hier bereits sehr früh ein heißes Eisen angegangen, indem man sich der unaufhaltsamen Verrohung und Verwahrlosung sozial-benachteiligter Jugendlicher widmet und die Gründe für diese schwer zu erklärende Entwicklung aufzuzeigen versucht. Di Leo stellt zwar schon ziemlich eindeutig die Gesellschaft als Hauptverursacher dieser verheerenden Entwicklung an den Pranger, schiebt diese aber glücklicherweise nicht als erklärenden Rechtfertigungsversuch vor, sondern überlässt den delinquenten Jugendlichen die letztendliche Entscheidungsgewalt über das eigene Handeln und somit auch eine schwerwiegende Mitverantwortung an den Geschehnissen.

 

An vorderster Front steht der unnachgiebige Chef-Ermittler Lamberti, der von Pier Paolo Capponi überzeugend verkörpert wird und zunächst eine recht eindimensionale und reaktionäre Sichtweise auf die erschütternden Geschehnisse walten lässt. Diese Haltung schlägt sich dann auch in seinen rabiaten Verhöhrmethoden nieder und wird erst ein wenig aufgeweicht, nachdem ihm die reizende Sozialarbeiterin Livia (Nieves Navarro) im Rahmen seiner Ermittlungen unverhofft zur Seite gestellt wird. Die bezaubernde Nieves -Susan Scott- Navarro kann ihm dabei zwar zunächst ansatzweise zu einer etwas differenzierteren Sichtweise verhelfen, bleibt aber in der farblosen Rolle weit hinter ihren Möglichkeiten und wirkt lediglich wie ein nett anzuschauendes Beiwerk des dominanten Ermittlers. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ihr positiver Einfluss auf den illiberalen Kommissar recht bescheiden ausfällt, da sie in den meisten Fällen seinen stellenweise stammtischlastigen Parolen nichts entgegenbringt und beharrlich eine gute Mine zum traurigen Spiel abgibt. Glücklicherweise bleibt dies aber auch der einzige Wermutstropfen während der gesamten Inszenierung, da die sehr alkoholstarke Wermutspirituose ansonsten in Strömen über dem Geschehen ergossen wird.

 

Ein wenig kurios zeichnet sich das naive „Heile Welt Projekt“ ab, bei dem es erstmals zu einer berufsübergreifenden Zusammenarbeit der beiden gegensätzlichen Ermittlerparteien kommt. Hierbei nehmen die Beiden einen der gefallenen Knaben bei sich zuhause in den Rahmen einer konstruierten Familienbande auf, um ihm somit die Vorzüge eines geordneten Lebens näher bringen zu können. Insgeheim verspricht man sich aber, über den Projektverlauf an weitere Informationen über den tatsächlichen Drahtzieher zu gelangen.

 

Zum Abschluss sei noch kurz auf die deutsche Synchronisation hingewiesen, die im Großen und Ganzen recht passabel geworden ist.

 

Fazit: Ein albtraumhafter Absinthrausch der zügellosen Gewalt. Absolut sehenswert!

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