Mystere - Der Killer und das Callgirl

Italien, 1983

Originaltitel:

Mystère

Alternativtitel:

Pako Hong Kongiin (FIN)

Murder Near Perfect

Dagger Eyes

Regisseur:

Carlo Vanzina

Inhalt

Die attraktive Mystère (Carole Bouquet) ist eine gut verdienende Edelprostituierte, die einen ebenso wohlgebauten Ferrari fährt. Zusammen mit ihrer befreundeten Kollegin Pamela (Janet Ågren) besucht sie betuchte Freier in den Nobelhotels von Rom, muss sich jedoch nebenbei den ständigen Nachstellungen des aalglatten Zuhälters Vizione (Gabriele Tinti) erwehren. Als die beiden Engel der Nacht eines schwülen Abends im Hotelzimmer des beleibten Deutschen Reinhardt (Peter Berling) ankommen, wissen sie nicht, dass dieser zuvor am Schauplatz eines Attentats auf einen amerikanischen Politiker äußerst gelungene Aufnahme vom bärtigen Killer (John Steiner) gemacht hat und sich nun selbst im Fadenkreuz der Geheimdienste befindet. Pamelas Diebstahl eines goldenen Feuerzeugs soll wenig später auch unbemerkt die Schlingen um die schlanken Hälse der Beischlafdiebin und ihrer unwissenden Arbeitskameradin legen, da sich in eben jenem kostbaren Raucheraccessoire der Film mit besagten Fotos befindet. Schon am nächsten Morgen nach dem Stelldichein wird der teutonische Unsympath von einer gut gekleideten Person mit einer versteckten Klinge im Spazierstock hinterrücks erdolcht und landet mit dem feisten Kopf im TV-Gerät der Hotelsuite. Fortan muss die forsche Französin um ihr Leben laufen, wird doch auch nur kurze Zeit später Pamela ein Opfer des Spazierstockmörders. Hilfe naht aber bald in Gestalt eines abgebrühten Cops mit dem Spitznamen Colt (Phil Coccioletti), der ein Faible für schöne Frauen und schnelles Geld hat. Es nimmt ein mörderisches Schachspiel mit Spionen und Meuchelmördern seinen Anfang, dass die Protagonisten bis ins ferne Hong Kong führen soll.

Review

Wie der erst kürzlich ebenfalls von mir besprochene „Die Killermafia“ mischt auch „Mystère“ das uritalienische Genre des Giallo mit dem des internationalen Agenten- bzw. Politthrillers. „Mystère“ teilt zudem seine Handlung in einen Prolog, vier, jeweils einen einzelnen Tag abbildende Hauptkapitel und einen Epilog auf, was dem Film zusätzlich einen dokumentarischen Touch verleiht, aber letztendlich nicht mehr als eine bloße Spielerei darstellt.

 

Nimmt „Die Killermafia“ mehr oder weniger gekonnt Bezug auf den zeitnah stattgefundenen Borghese-Putsch, so erinnert das im Prolog des Films gezeigte Attentat stark an die Ermordung John F. Kennedys vom 22. November 1963. Ein Ereignis, welches zwar zur Zeit der Produktion des Films bereits zwei Dekaden in der Vergangenheit stattgefunden hatte, jedoch über die Jahre hinweg immer wieder von zahlreichen Filmemachern aufgegriffen wurde (vgl. z. B. Henri Verneuils„I wie Ikarus“ oder John Houghs eher unbekannten „Eyewitness“, die beide ebenfalls eine Involvierung von Polizei und Geheimdiensten in die Morde zeigen), da es sich hier praktisch um das sofort wiedererkennbare, klassische Abbild eines politischen Mordes handelt.

 

Das Drehbuch von Regisseur Carlo Vanzina (* 1951) und dessen älterer Bruder Enrico (* 1949) mischt also Elemente des stets paranoiden Agententhrillers mit klassischen Motiven des Giallos, wie einem schwarze Handschuhe tragenden, zunächst gesichtslosen Killer, der eine lange, versteckte Klinge im Spazierstock mit sich bringt und Jagd auf die hübschen Damen Bouquet und Ågren macht. Sind diese Elemente in der ersten Hälfte des Films noch sehr präsent, so treten sie in der zweiten (meine Fassung des Films teilt diesen mit einer Titelkarte tatsächlich in zwei Teile auf) nur noch untergeordnet auf und machen nun einer actionorientierteren Inszenierung Platz, welche auch mit einer kurzen Autoverfolgungsjagd aufwartet. Auch diese schnellere und leichtere Gangart beherrscht Vanzina recht gut, kein Wunder, ist er doch der Sohn des großen italienischen Kinoveteranen und Routiniers Steno (* 1915; † 1988; eig. Stefano Vanzina), der seit den späten 30ern Drehbücher schrieb und bereits in den 50ern Filme mit der Legende Totò drehte, mit „Das Syndikat“ die Blaupause für das gesamte Genre des Poliziottesco lieferte und danach ein langer Wegbegleiter des allseits beliebten Bud Spencers wurde, für den er bis ans Ende seiner Karriere sowohl Drehbücher verfasste als auch Regie führte.

 

Doch zurück zu „Mystère“, dargestellt vom wunderhübschen, französischen Bondgirl Carole Bouquet (* 1957), die wohl in absehbarer Zeit für ihren sechzigsten Film vor die Kamera treten wird und ihr Filmdebüt immerhin, als eine Hälfte des titelgebenden Objekts in Buñuels „Dieses obskure Objekt der Begierde“ hatte.

 

An ihrer Seite steht die Schwedin Janet Ågren (* 1949), eine lang gediente Veteranin des italienischen Exploitationkinos, die schon für Billy Wilder, Lucio Fulci und Sergio Martino vor der Kamera stand, dann aber 1991 ihren Abschied von der Kinoleinwand nahm, um fortan als Innenarchitektin amerikanische Wohnräume zu verschönern.

 

Schön ist auch das Wiedersehen mit dem umfangreichen Peter Berling, der neben seinen legendären Rollen bei Fassbinder und Helge Schneider (wer hätte gedacht, dass ich die einmal in einem Atemzug nenne?) auch in solch Italo-Klassikern wie „Der Mafia Boß – Sie töten wie Schakale“ und „Tote pflastern seinen Weg“ zu sehen war.

 

So ist „Mystère“ ein oft selbst von Genrefans gern übersehener Spätgiallo, der durch so eindeutiges Zeitkolorit wie Aerobic, Schulterpolster und Neonoptik klar den frühen 80er-Jahren zugeordnet werden kann, aber (vielleicht gerade auch deshalb) auch noch heute, dreißig Jahre später, Laune macht.

 

Zwar entbehrt die Story mal wieder nicht der im Genre des Giallo fast obligatorischen Logiklöcher, aber kann der Film durch seine zügige Erzählweise diese zumindest bei Erstansicht recht gut überdecken.
Hier wäre also eine schnelle Wiederentdeckung durch eines der einschlägigen, hiesigen Filmlabels von Nöten, sodass „Mystère“ auch für ein deutsches Publikum schon bald kein Mysterium mehr sein möge!

Links

OFDb

IMDb

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