Mein Freund, die Bestie

Frankreich | Italien, 1962

Originaltitel:

Ti-Koyo e il suo pescecane

Alternativtitel:

Ti-Koyo et son requin (FRA)

Tiko and the Shark

Deutsche Erstaufführung:

07. Dezember 1963

Regisseur:

Folco Quilici

Inhalt

Ti-Koyo wächst auf einer paradiesischen Hawaii-Insel auf, als Jüngster von 12 Brüdern. In seinem Fischerdorf gilt er als Außenseiter, was seine Freundschaft zu einem jungen Hai noch festigt. Er lernt die gleichaltrige Diana kennen, doch diese Freundschaft ist nur von kurzer Dauer, denn Diana muss zurück auf ein Internat in Los Angeles. Als Erwachsene treffen sie sich wieder, und Ti-Koyos Welt verändert sich. Dianas Bruder Alex etabliert die professionelle Fischerei im Dorf, die alten Hütten werden niedergebrannt, die Fischer zu Angestellten – doch Ti-Koyo spielt nicht mit. Einst führte ihn sein Hai zu einer verborgenen Lagune, wo er fernab seiner Verwandten nach seinen Vorstellungen lebt. Seine Gefühle für Diana bringen ihn in Konflikt mit seinem Drang nach Freiheit, doch gerade als er fast schon bereit ist, diese für seine Liebe aufzugeben, erkennt Diana, dass sie das gar nicht will. Und so begeben sich beide auf die Suche nach einem neuen Paradies.

Review

Nach Sichtung von Folco Quilicis mit einem Silbernen Bären ausgezeichneten Dokumentarfilm „Das letzte Paradies“ (L'ultimo paradiso, 1955) auf dem TERZA VISIONE wollte ich mehr von seinem Frühwerk sehen und stieß nun auf „Ti-Koyo e il suo pescecane“. Der Stil beider Filme ist oberflächlich betrachtet ganz ähnlich, Laiendarsteller bewegen sich durch schöne Bilder von idyllischen Inseln und beeindruckender Unterwasser-Photographie. „Ti-Koyo e il suo pescecane“ ist allerdings der stärkere Film. Im Gegensatz zum episodenhaften Mondo-Stil von „Das letzte Paradies“ wird eine zusammenhängende Geschichte erzählt, die ziemlich genau in zwei Segmente unterteilt ist. Ti-Koyos Kindheit, in der er einen kleinen Hai „adoptiert“, den er Bruder nennt und auf seine spätere Liebe Diana trifft, bildet den ersten Teil. In der zweiten Hälfte beginnt mit dem Erwachsensein der sich zuvor zwar schon ankündigende, aber nun mit schnellen Schritten voranschreitende Bruch vom Leben im Einklang mit der Natur zum gewaltsamen Einbruch der Zivilisation in das Leben der Inselbewohner. Brennende Hütten machen diesen Bruch so klar wie nur möglich.

 

Bereits in „Das letzte Paradies“ konnte man faszinierende Bilder von Kindern sehen, die mit Haien schwammen, indem sie sich an ihren Flossen festklammerten. „Ti-Koyo“ geht einen Schritt weiter. Auf den heutzutage leider sehr farbverblassten Kopien des Films ist man zunächst nicht sicher, was man da sieht und ob da nicht getrickst wurde. Aber nein, es schwimmt tatsächlich ein ausgewachsener Darsteller mit einem noch ausgewachsenerem (also verdammt großem) Hai durchs Meer. Getrickst wurde natürlich trotzdem. In einigen Einstellungen, wenn man den Hai alleine sieht, scheint es ein weißer Hai zu sein, Nahaufnahmen zeigen dagegen deutlich, dass es sich um eine andere Gattung handelt – aber riesig ist er immer noch.

 

Wo war ich? Im Kopf war die Textstruktur noch da, nun verabschieden wir uns von ihr, wie gewohnt. Schon vor dem Schreiben des Textes hatte ich Schwierigkeiten, dem Film ein Genre zuzuweisen. Der Einfachheit halber wählte ich „Abenteuer“, doch diese Umschreibung ist so unvollständig, dass es kracht. Kinderfilm, Liebesfilm, Drama, Doku, Naturfilm, Untergang, Happy End, es ist alles drin. Nichtsdestotrotz muss man sich über eines im Klaren sein: der Schwerpunkt des Films liegt auf seiner wundervollen Photographie, die ebenso perfekt von einem schmerzlich-schönen Soundtrack von Francesco de Masi untermalt wird. Zum Genuss von „Ti-Koyo“ ist eine große Liebe zum Kino von Nöten, die den Zuschauer auch mal darüber hinwegsehen lässt, dass es nur wenig wirklich spannende Momente gibt und dass es den Laiendarstellern an Tiefe fehlt. Dem Drehbuch dagegen keineswegs.

 

„Ti-Koyo“ basiert auf einem Roman des Schriftstellers Clément Richer, der anscheinend aus Martinique stammte. Dieser wurde zum Drehbuch adaptiert von Folco Qulici, Italo Calvino, Augusto Frassinetti und Ottavio Alessi. Produziert wurde der Film von Golfiero Coloma, Luciano Ercoli und Alberto Pugliese für Titanus und Produzioni Cinematografiche Mediterranee, präsentiert von Goffredo Lombardo. Konfusion zu den Credits entsteht durch die verschiedenen Fassungen. Die ursprüngliche US-Kinofassung im Verleih von MGM gibt französische Co-Firmen an, in der italienischen Kopie finden sich diese allerdings nicht. Die italienische Originalfassung hatte eine Laufzeit von 107 Minuten, die US-Fassung nur 96 Minuten. Die im Dezember 1963 in deutschen Kinos gestartete Fassung war noch kürzer. In den Siebziger Jahren entstand zudem eine weitere Alternativfassung für ein Kinderfilmfestival (CBS), hier wurde die zweite Hälfte des Films kastriert, ernste Kontexte und die Liebesgeschichte drastisch verkürzt.

 

„Ti-Koyo e il suo pescecane“ wurde seinerzeit mit dem Unseco-Kulturpreis ausgezeichnet. Ein wunderschöner Film, bei dem die inzwischen leider recht verblasste Farbgebung wehmütig macht.

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OFDb
IMDb

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