Lovemaker

Deutschland | Italien, 1969

Originaltitel:

Lovemaker - L'uomo per fare l'amore

Alternativtitel:

O Homem Feito para o Amor (BRA)

Hombre para hacer el amor (COL)

A Fúria da Carne (POR)

Regisseur:

Ugo Liberatore

Inhalt

Auf einer Baustelle am Münchner Maximiliansplatz provoziert die Studentin Christiane (Doris Kunstmann) einen Zwischenfall mit einem italienischen Gastarbeiter, dessen Ursprung offensichtlich Überheblichkeit oder Langeweile war. Da die attraktive junge Frau den Arbeiter dazu animiert hat, sie unangemessen zu berühren, wird dieser von ihren Begleitern Hans (Peter Kraus) und Klaus (Roger Fritz) verfolgt und brutal zusammengeschlagen. Ihre hübsche Freundin Helga (Christiane Krüger) schaut dieser Aktion zu. Als die Männer von dem jungen Ingenieur Giorgio (Antonio Sabato) gestört werden, schlägt die Situation komplett um, denn die beiden Frauen fühlen sich von dem gut aussehenden Italiener angezogen, doch zeigen dies auf vollkommen unterschiedliche Weise. Während Christiane ihn aufgrund seiner Herkunft weiterhin von oben herab betrachtet und ihm die kalte Schulter zeigt, geht Helga ganz unverblümt in die Offensive. Doch beide Frauen haben die Rechnung ohne den italienischen Wirt gemacht, der ganz andere Auffassungen von Beziehungen mit Frauen dieses Schlages hat...

Autor

Prisma

Review

Alleine der Titel zu Ugo Liberatores Film wirft im Vorfeld die Frage über die Marschrichtung auf und selbst der Vorspann erlaubt sich zunächst eine kleinere falsche Fährte, indem der in großen Lettern auftauchende Begriff "Latin Lover" kurzerhand in "Lovemaker" ummontiert wird. Ende der 60er Jahre wurde das Publikum mit einer Reihe freizügiger Filme mit erotischen und komödiantischen Inhalten versorgt, sodass vielleicht die Vermutung nahe liegen will, diese Geschichte könnte in die selbe Kerbe hauen wollen. Doch schnell wird man eines Besseren belehrt, denn Produktion inklusive Titel weisen eine auffällige, oder vielmehr anspruchsvolle Doppelbödigkeit auf, die hier regelrecht zum Elixier wird. Trotz deutscher Beteiligung durch Artur Brauners cCc Filmkunst brachte es "Lovemaker" zu keiner deutschen Kino-Auswertung, obwohl an Originalschauplätzen in München und mit überwiegend deutschen Interpreten gedreht wurde. Bei einem Blick auf das behandelte und immer noch brandaktuell wirkende Thema rund um Ressentiments Fremden gegenüber kann man durchaus nachvollziehen, warum der Film in der Bundesrepublik keinen Verleih finden konnte, denn er war den üblichen Sehgewohnheiten zu wenig angepasst. Aus heutiger Sicht kann nur betont werden, dass es umso erleichternder ist, dass der Film so ist wie er ist, denn es handelt sich wirklich um einen vielschichtigen Beitrag, der sowohl seinen Unterhaltungsambitionen als auch seinem Anspruch Genüge tut. "Lovemaker" - was möchte dieser Titel eigentlich ausdrücken, beziehungsweise ankündigen? Zwar deutet der italienische Zusatz "L'uomo per fare Lamore" selbstbewusst an, das die männliche Hauptfigur namens Giorgio der Mann sein wird, mit dem man Liebe macht, aber vielmehr kann der Titel als Wortspiel angesehen werden, und zwar insofern, dass es sich um einen Zeitgenossen handelt, der die schönste Sache der Welt nicht nur praktiziert, sondern die Liebe bei den passenden Frauen aktiv fabriziert. Sie verlieben sich nicht nur profan in ihn, sondern er bringt sie regelrecht dazu.

 

Gebahnt wird die Story mit dem Aufzeigen einer Art zweifelhaften Gesellschaftsspiels. Die junge Schickeria fährt in der Stadt herum und langweilt sich offenbar vom Nichtstun. Durch die Integration der teils spröde wirkenden Charaktere gewinnt die Geschichte schnell an Brisanz, denn im Raum steht im übertragenen Sinn plötzlich eine Art stumpfsinniges Prinzip; etwa so, als ob alle Türken Ali hießen. Daher wird die weibliche Protagonistin in diesem frühen Stadium nicht müde zu betonen, dass sie italienische oder türkische Gastarbeiter quasi unfehlbar per Augenmaß identifizieren könne, was sich als entscheidender Kniff erweist, denn schließlich soll Christiane ein Klischee-Äquivalent der deutschen Frau charakterisieren. Zielstrebig sucht sie sich also ein beliebiges Opfer auf der Baustelle aus und provoziert den Mann mit ihren leichtfertigen Reizen, bis dieser schließlich die Quittung in Form von Faustschlägen bekommt. Das Ergebnis: Drei gebrochene Rippen und das Auslösen einer unliebsamen Kettenreaktion, die die Gefahr birgt, nur Verlierer hervorzubringen. Der teils heitere Tenor der Geschichte täuscht keineswegs über den bevorstehenden Ernst der Lage hinweg, kaschiert lediglich die Brisanz ein wenig, denn durch die Blume gesprochen tut es einem Adressaten dann nur halb so weh. Der Film schmeichelt unterm Strich keiner der prominent in den Fokus gerückten Nationalitäten, was eine sinnvolle Ausgewogenheit und Fairness herzustellen weiß. Obwohl insbesondere die Frauen ins Rampenlicht gerückt werden, werden auch die verschiedenen Herren der Schöpfung gegenüber gestellt. Zwar sind bei jeder Fraktion deutliche Attribute herausgearbeitet, aber es kommt zu eklatanten Unterschieden. Während die deutsche Seite vornehmlich überheblich, eitel, versnobt und alles andere als bodenständig wirkt, erscheint die italienische Masche wie eine Kulturrevolution, vor allem was Christiane und Helga betrifft. Auch in diesem Zusammenhang legt die Dramaturgie wert auf eine deutliche Differenzierung der beiden Frauen, obwohl sie von Grund auf oberflächlich und charakterlich teils uniform wirken.

 

Nachdem die einseitige Prügelei beendet ist, Helga sich noch eilig die Rückversicherung für eine vielversprechende Liaison mit Giorgio geholt hat, und sich die Partner der beiden Frauen ordentlich haben volllaufen lassen, geht das private jeu d'ennui zu Hause weiter. Hans schmiert ab und Klaus will Zuneigung erzwingen. Angewidert sieht man Doris Kunstmann ihren abschätzigsten Blick aufsetzen und vermittelt ihren Freund der willigen Helga, jedoch nicht ohne ihr den Rat mit auf den Weg zu geben, dass sie ihm ein Bier mitbringen und sich ihr Kleid ausziehen solle, da er sie wie ein Tier bespringen und es ihr sonst zerreißen würde. Dem Zuschauer ist klar, dass Christianes Gedanken längst bei der attraktiven italienischen Bekanntschaft angedockt haben, was sie vor maßlos ärgert - schließlich betrachtet man solche Subjekte von oben herab und sie gehören zu anderen Kreisen. Und sei es nur wegen der Nationalität. Ihr Pendant, Christiane Krüger, die hier so schön wie selten zu sehen ist, funktioniert hier schon simpler, da ihr der Stolz, die Eitelkeit und Raffinesse ihrer Freundin fehlt. Wenn man so will ist sie es, die von allen auf primitivster Triebebene agiert. Eigenartigerweise stört es ihre Busenfreundin kaum und die Truppe der sogenannten Hautevolee kommt in den Genuss der Gunst Christianes, deren Eltern schon einmal die Wochenendvilla am Starnberger See, oder einen schnittigen Sportwagen als Cliquen-Allgemeingut springen lassen. Aber man hinterfragt sich nicht und schon gar nicht die Ansichten und Vorgehensweisen des anderen. Bleibt man ganz simpel bei der Verteilung der Kräfte, sprich Giorgio und Christiane, so werden die Waffen der Frau gegen die Kanone des Mannes gerichtet. Ein dem Empfinden nach ungleiches Kräftemessen, denn die hochmütige Studentin scheint so viel Erfahrung und argumentativem Charme nicht gewachsen zu sein. Was reizt Christiane letztlich an dem Bauingenieur, den sie verachten, verfluchen, ja hassen will? Die Antwort scheint leicht zu sein, denn sie wird von ihrem eigenen Freund geliefert. Giorgio ist schrecklich undeutsch - ergo verführerisch.

 

Natürlich ist die Konfrontation nicht komplett darauf angelegt, dass erst der Eindruck entstehen soll, es handle sich um einen vollkommen ungleiches Tauziehen, schließlich reizt Giorgio die abwehrende Haltung ebenso, wenngleich seine tiefere Motivation einen völlig anderen Ursprung hat: Die Erniedrigung des verachteten Objekts. Es scheint so, als reiche es ihm erstmals nicht aus, die Beute nur zu jagen und zu benutzen. Er will sie brechen, zur Strecke bringen. Ein schwieriges Unterfangen, schließlich leistet die Beute heftigsten Widerstand. Die Figur der Christiane wird von Doris Kunstmann präzise ausbuchstabiert. Ihr sind alle erdenklichen Mittel von Hause aus gegeben und sie weiß um ihre Wirkung; umso irritierender, wenn ein Mann nicht in herkömmlicher Weise auf sie reagiert. Ihr eigener Freund stellt das Konventionelle dar, obwohl er und seine Gefolgschaft sich gerne in den Dunst des Unkonventionellen hüllt, jedoch stellen sie nichts anderes dar als Spießbürgertum für Fortgeschrittene. Die Kamera hofiert ihre Stars nach Herzenslust, dementsprechend kommt es zu sehr breit angelegten Strecken von Großaufnahmen, vor allem der Darstellerinnen. Im Rahmen der Bemühung um Contenance, Fassade, Unnahbarkeit und dem strikten Einhalten der Gesetze der Bourgeoisie, zeigen sich diesbezüglich immer wieder entgegengesetzte, beinahe labile Züge einer Frau, die noch nicht angekommen ist. Alles was sie weiß, hat sie von anderen übernommen. Alles was sie darstellt ebenfalls. Christiane steht trotz ihrer Dominanz und der Fähigkeit zur Manipulation der Clique quasi ohne wirkliche Identität da - zu allem Überfluss wird sie von einem Mann des Proletariats entlarvt und systematisch in die Tasche gesteckt. Daher sieht man von Doris Kunstmann trotz ihrer Maske eine breite Palette von Emotionen, die alles zwischen Krallen ausfahren und Tränen abdecken, die wie Feuer brennen. Ebenfalls kommt es zu nachdenklichen, beinahe melancholischen Zügen, die Selbstzweifel und gedankliche Irrwege thematisieren. So handelt es sich bestimmt um eine von Kunstmanns ausgefeiltesten Leistungen!

 

Antonio Sabato stellt nicht nur die Titelrolle im Film dar, sondern auch all das, wofür Hans und Klaus stellvertretend stehen: Den deutschen Mann. Giorgio ist im Leben angekommen, beruflich erfolgreich und nach seinen Angaben bereits verheiratet. Aufgrund des guten Aussehens und seiner provokanten Art den Frauen gegenüber, wird er ohnehin schon als Gefahr und Konkurrent eingestuft; fährt er ein besseres Auto, ist finanziell unabhängig und obendrein noch Ausländer. Antonio Sabato verleiht seiner Figur einen nicht immer aufrichtig wirkenden, aber der Anforderung entsprechend heißblütigen Charme. Darstellerisch gesehen erweist sich Sabato als guter Routinier, der die Szenerie nicht nur bereichert, sondern um die Leinwand-Dominanz kämpfen wird. Ihm gegenüber stehen Roger Fritz und Peter Kraus, die die nicht immer ganz erwachsen wirkenden Maultiere im Pferdegeschirr mit treffenden Gesichtern ausstatten und ihnen Impulsivität und Temperament mitgeben. Von deutscher Seite sieht man außerdem Yvonne ten Hoff als Liselotte, eine Freundin Christianes, die vom "Lovemaker" als Mittel zum Zweck missbraucht wird, und schließlich eine ihrer üblichen Lolita-Rollen mit einem Nimbus der Unschuld spielt, auch wenn dies natürlich kaum den filmischen Tatsachen entspricht und sie eine Packung Revolan als letzte Quittung wählt. Abschließend bereichert der bildschöne Branchen-Neuling Christiane Krüger das Geschehen in sehr effektiver Manier und verbindet ihre offenkundige Leichtfertigkeit mit ihrem bürgerlichen Korsett. Neben Doris Kunstmann sorgt sie für die pikanten und erotischen Momente des Szenarios und stellt dementsprechend ihre Reize zur Schau. Giorgio ergibt sie sich freiwillig und kapituliert, bevor der Kampf überhaupt begonnen hat, schenkt ihm beispielsweise sogar ihre eigene Hochzeitsnacht, in der Giorgio wohlgemerkt nicht der Bräutigam ist. In darstellerischer Hinsicht bleiben unter Ugo Liberatore keinerlei Wünsche offen und er spannt seine Instrumente gewinnbringend in diesem amourösen Roulette ein, das in Wirklichkeit die Weltanschauung bestimmter Personen kritisch infrage stellt.

 

Insgesamt gesehen wird die Geschichte mit einer ordentlichen Portion Zynismus angetrieben, der sich unter anderem auch gut in den Dialogen widerspiegelt. Neben den Sprachrohren in Form der Schauspieler gibt es zahlreiche Verstärker, die diese Strategie verfestigen. Eigenartigerweise müssen hier die Schlagern ähnlichen Musikstücke von Katja Holländer erwähnt werden, die vollkommen konträr zu den klassischen Easy-Listening-Tracks von Armando Trovajoli eingesetzt werden. Es scheint, als wollten die jeweiligen musikalischen Stilrichtungen den guten, beziehungsweise schlechten Geschmack der beiden im Fokus stehenden Nationen repräsentieren. Holländers Stücke sind für die Gestaltung des Films jedoch alles andere als unwichtig, immerhin unterstreichen die Textpassagen wortwörtlich, dass es sich beispielsweise nur um ein Spiel handle, oder dass es nicht gehe, dass man sich versteht. Erwähnenswert ist außerdem die einfallsreiche Kamera-Arbeit von Dario Di Palma, der sich entgegen der Seheindrücke um eine beachtliche Symmetrie, Dynsmik und Bildgewalt bemüht. Im Raum bleiben unterm Strich schließlich gehaltlose Vorurteile stehen, die vielleicht in den seltensten Fällen rationaler Natur sind. Dem Film gelingt eine kognitive Vereinigung jedoch recht gut, obwohl die Axt auch empfindlich angesetzt wird. Auch das Thema Doppelmoral wird geistreich ausgearbeitet, was Giorgio im Dialog mit Christiane durch den folgendem Satz vielleicht am treffendsten auf den Punkt bringt: »Du schämst dich nicht für den Ehebruch, sondern für den Italiener!« Ugo Liberatore ist mit "Lovemaker" ein Kabinettstückchen reinster Seele gelungen, das es keineswegs verdient, vollkommen in der Versenkung verschwunden zu sein. Selbst ohne den durchaus bestehenden Anspruch der Geschichte wäre der Film schon ein sehr kurzweiliger Unterhaltungsfilm geworden, der auf vielen Ebenen überzeugt, um nicht zu sagen entzückt. Schlussendlich handelt es sich um eine bedeutende italienisch-deutsche Kollaboration, die innerhalb eines isolierten Falls aufweisen möchte, dass der schlimmste Feind der Erkenntnis wieder einmal die Unkenntnis war. Durch und durch begeisternd!

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