Diabolisch

Deutschland | Italien | Spanien | Großbritannien, 1972

Originaltitel:

Diabólica malicia

Alternativtitel:

La tua presenza nuda! (I)

Night Child (US)

What the Peeper Saw (US)

Der Zeuge hinter der Wand (D)

Night Hair Child (GB)

Les emotions d'un jeune voyeur (F)

Una grieta en el techo (COL)

Vindueskiggeren (DK)

Deutsche Erstaufführung:

06. Februar 1973

Inhalt

Die Frau des bekannten Schriftstellers Paul Bezant (Hardy Krüger) wird tot in der Badewanne aufgefunden. Man geht von einem Unglücksfall aus. Paul heiratet zum zweiten Mal und für seine junge Ehefrau Elise (Britt Ekland) beginnt eine schwere Zeit, bis sie sich schließlich in einem Alptraum wiederfindet, denn das Verhältnis zu ihrem Stiefsohn Marcus (Mark Lester) ist von Beginn an gestört. Der überdurchschnittlich intelligente, zwölfjährige Einzelgänger scheint sich immer wieder neue Tiraden auszudenken, um die Beziehung von Elise und seinem Vater zu unterwandern. Auch insgesamt fällt er sehr negativ im Rahmen seiner sozialen Kompetenzen auf. Elise beginnt, Nachforschungen bei Marcus' Schuldirektor (Harry Andrews) und seiner Psychologin (Lilli Palmer) über ihren unbequemen Stiefsohn anzustellen und es kommt des Weiteren zu begründeten Zweifeln am natürlichen Tode seiner Mutter. Die Umstände spitzen sich zu, bis schließlich ein erbitterter Psycho-Krieg zwischen beiden entsteht, bei dem selbst Paul nicht mehr weiß, wem er noch glauben kann. Ist Marcus wirklich der rücksichtslose Teufel den Elise darzustellen versucht, oder ist er doch nur das Opfer einer hoffnungslosen Neurotikerin, die aufgrund ihres angeschlagenen Gemütes Gespenster zu sehen glaubt...?

Autor

Prisma

Review

Im Kreise der persönlichen Lieblingsfilme hat "Diabolisch" seit Jahren seinen festen Platz eingenommen, was zum einen am ungewöhnlichen Verlauf der Geschichte liegt, andererseits aber auch an einem sehr hohen Wiedererkennungswert der zahlreichen Plot-Fragmente, die aus unterschiedlichsten Genres zusammengetragen, spektakulär mit einbezogen und schließlich auch ausgewertet wurden. Der Film beginnt zwar mit einem rätselhaften Todesfall in Form einer Rückblende, doch wenig später wird eine trügerische Idylle geschildert, die dem Zuschauer immer wieder regelrecht aufgezwungen, und zunächst auch transportiert wird, welche aber bei fortlaufender Spieldauer genüsslich in Stücke zerfällt. Schöne Aufnahmen der Landschaft und der abgelegenen Villa geben zunächst eigentlich keine Rückschlüsse auf den bevorstehenden perfiden Verlauf und in diesem Zusammenhang offenbart sich ein subtiler Spannungsaufbau, der ohne wesentliche reißerische Elemente auskommen, und beinahe ausschließlich über Brit Ekland aufgebaut wird.

 

Insgesamt fährt die Regie eine recht alternative Strategie im Aufbau, setzt auf Kontraste in der Bildsprache, die durch lange, unscheinbare Sequenzen geprägt sind, um den Verlauf allerdings immer wieder plötzlich mit drastischen Einstellungen zu forcieren. Vieles was geschieht, wirkt daher nicht vorhersehbar und teilweise sogar recht befremdlich. Im Grunde genommen bemüht sich die Geschichte allerdings darum, im Rahmen der Charakterzeichnungen am deutlichsten auf die Pauke zu hauen und hierbei geht das Mittel der Wahl vollkommen auf, denn die Protagonisten wirken steril voneinander abgegrenzt und fallen durch eine eigenartig undifferenzierte Zeichnung auf. Der Versuch, den Film unbedingt anders erscheinen zu lassen, geht trotz herkömmlicher Anteile in der Geschichte vollkommen auf. Es wird ausgiebig mit Naivität gespielt, die dem Film selbst übrigens immer wieder gerne vorgeworfen wird, außerdem mit blindem Vertrauen und Grenzen des Vorstellungsvermögens, die auf ihre Art und Weise für Schockmomente beim Zuschauer sorgen sollen.

 

Tendenziell kann man sagen, dass so manche bekannte Produktion gleiche, oder ähnliche Anleihen zur Schau getragen haben, aber hier entsteht definitiv der Eindruck, dass es nach etwas Neuem aussieht, denn einige Einstellungen sind wie gesagt schwer bekömmlich und sowohl heute, als auch damals, äußerst gewagt. In diesem Zusammenhang wurde der damals wohl erst zwölfjährige Mark Lester eingespannt, der mit seiner Film-Stiefmutter Britt Ekland einige erstaunliche Szenen-Abfolgen darzubieten hatte. Britt Ekland zeigt eine bemerkenswert gute Leistung und eine erstaunliche Verwandlung in diesem Szenario. Sie gerät ohne es zu bemerken in die Zange eines zwölfjährigen Jungen, der ihr auch noch in jeder Hinsicht überlegen ist. So könnte man schnell zu dem Schluss kommen, dass man es lediglich mit einer einfältigen Neurotikerin zu tun hat, aber es steckt wesentlich mehr dahinter. Elise gerät ohne es zu bemerken in einen, sich langsam anbahnenden Alptraum, der sich immer bedrohlicher entfaltet.

 

Von ihr bekommt man verzweifelte Aussagen zu hören wie: »He is not a child!« oder »He even lies about his lies!«, und obwohl man als Zuschauer die Tiraden von Marcus miterleben kann, fängt man letztlich an, an ihrem Gemütszustand zu zweifeln. Sie hat eine diffuse Angst vor dem, in ihren Augen unberechenbaren Jungen. Anfangs sieht man, dass Elise ernsthaft bemüht ist ein gutes Verhältnis zu Marcus zu aufzubauen, doch es wird schnell klar, dass dies nicht sehr wahrscheinlich sein wird. Sie fällt immer häufiger seinen Intrigen und Lügen zum Opfer, bis sich zwangsläufig auch das Verhältnis zu ihrem Mann Paul zusehends verschlechtert. Doch entspricht das alles tatsächlich der Wirklichkeit oder ist ihre Wahrnehmung derartig gestört, dass sie nicht mehr zwischen vermeintlicher Realität und möglichen Wahnvorstellungen unterscheiden kann.

 

Marcus macht der jungen Frau schwer zu schaffen und die ruhige, abgeklärte Leistung von Mark Lester trägt ihren Teil zur Glaubwürdigkeit bei. Dieses Kind strahlt eine eisige Kälte und Härte aus, im Verlauf des Films kommt es zu zahlreichen Einstellungen, die das absonderliche Verhalten von Marcus dokumentieren sollen. Mit seiner Stiefmutter spricht er in altkluger Art und Weise wie mit einer Schülerin, die zu Recht gewiesen werden muss, auf ihre zum Teil temperamentvollen und hysterischen Anwandlungen reagiert er nicht, wenn dann nur mit einem abschätzigen Grinsen oder hochmütigen Gesten. Er sieht genüsslich dabei zu, wie das Verhältnis von Paul und Elise schlechter wird, es macht ihm Spaß, die junge Frau zu quälen. Allerdings bleibt folgende Frage im Raum stehen, ob es tatsächlich nur Einbildung oder doch Realität ist. Hardy Krüger zeigt sich wie immer von seiner souveränen, sowie routinierten Seite, und er stellt ebenfalls eine große Bereicherung für diesen Film dar.

 

Auch er reiht sich in die angepeilten Metamorphosen der Charaktere ein, im Umgang mit seinem Jungen zeigt sich eine naive, wenn auch aufrichtige Unbekümmertheit, die offensichtlich auf seinem schlechten Gewissen basiert, weil er ihn so oft alleine lassen musste, wobei der Umgang mit seiner jungen Frau Elise fast schon übersachlich und spröde wirkt. Besondere bis große Momente entstehen, wenn die explizit angekündigten Stargäste in Erscheinung treten. Wo Harry Andrews in dieser Beziehung lediglich für ein bisschen Wiedersehensfreude sorgen kann, ist es Lilli Palmer, die in ihrer kurzen Rolle für große Akzente sorgen wird. Palmer spielt hier die Psychologin von Marcus und zunächst sucht Elise Rat bei Dr. Viorne und erläutert ihr, dass ihr Stiefsohn abnormal sei, und dass er versuche sie in den Wahnsinn zu treiben, sie womöglich zu töten.

 

Hier kommen die besonderen stilistischen Raffinessen bei der Inszenierung zum Tragen und dieses Tauziehen zwischen Britt Ekland und Lilli Palmer bleibt mitunter am meisten in Erinnerung. Elise stellt Fragen, Dr. Viorne reagiert unverzüglich mit offensiven Gegenfragen oder weicht einfach aus. Der zunächst sachliche Dialog wird aus heiterem Himmel zum Monolog der Psychologin und sie treibt die immer verzweifelter werdende Frau in die Enge. Elise ist es, die sich plötzlich in einem grotesken, und für sie unfassbaren Kreuzverhör wiederfindet, außerdem scheint es so, dass sie nun auf ihren eigenen Geisteszustand überprüft wird. Sie muss sich permanent rechtfertigen, es kommt zu manischen Verhaltensweisen und schließlich zu einem hochinteressanten Twist. Was danach folgt, ist unerwartet, überraschend, und aus einem angedeuteten Alptraum wird ein sichtbarer Alptraum. Besonders förderlich sind hierbei groß angelegte Zooms. Bei den verzweifelten Rechtfertigungsversuchen von Elise erscheint ihre Augenpartie in Großaufnahme, bei jeder Frage Dr. Viornes sieht man nur deren Mund und dabei kommt es zu rasant wechselnden Schnittfolgen und Kameraeinstellungen aus unterschiedlichsten Winkeln.

 

Ab diesem Zeitpunkt überschlägt sich der Verlauf und das straffe Tempo schürt Spannungszustände und Unbehagen, ja es werden quasi mehrere Finals gleichzeitig eingeläutet. Auch dass zuvor immer wieder sehr ungewöhnliche Register gezogen wurden, behält man als Zuschauer im Hinterkopf. Dabei dienlich ist wie so oft die Projektionsfläche Kind, denn Mark Lesters perfide Spiele gehen hier ziemlich weit. Aus anfänglichen Anzüglichkeiten werden unglaubliche Bedingungen, als Mark beispielsweise für jede Antwort auf Elises Fragen verlangt, dass sie ein Kleidungsstück ablegt, um dies genüsslich zu beobachten und zu delegieren, als sie ihren Strip hinlegen muss. Auch in den bizarren Traumsequenzen sieht man ganz Erstaunliches, so dass man beinahe selbst Schwierigkeiten bekommt, Traum und Realität auseinanderzuhalten. Mit der wieder einmal hervorragenden Musik von Stelvio Cipriani entstehen formvollendete Momente und insgesamt sieht man doch einen überaus sehenswerten Film, der nicht übermäßig versucht, visuelle Schocks zu versetzen, sondern auf alternativen Ebenen ein Spektrum an Abscheulichkeiten präsentiert. "Diabolisch" ist und bleibt insgesamt ein Film, der gerne unterschätzt wird.

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