Cani

Italien | Türkei, 1977

Originaltitel:

Polizia selvaggia

Alternativtitel:

The Girlfriend (GBR)

Gizli kuvvet (TUR)

Regisseur:

Guido Zurli

Drehbuch:

Guido Zurli

Inhalt

Ahmet Tarapiya (Piero Fabiani) ist ein größenwahnhafter Kleinkrimineller, der von seinem armseligen Dasein in der Weltmetropole am Bosporus die Schnauze gestrichen voll hat. Als er eines schönen Tages einen Geschäftsmann mit einem interessant scheinenden Aktenkoffer auf offener Straße erspäht, streckt er diesen kurzerhand tödlich nieder, erbeutet das Objekt der Begierde und macht sich mit dessen Wagen auf die Flucht vor der bereits nahenden Polizei; denn wie es der Zufall so wollte, befanden sich Kommissar Murat (Tarik Akan) und sein Partner Ekrem (Oktar Durukan?) ausgerechnet zum Zeitpunkt des Geschehens in unmittelbarer Nähe des Tatorts. Doch leider endet der Versuch Ahmet an seiner Flucht zu hindern für Kommissar Ekrem tödlich, was Murath wiederum nur noch wütender macht. Was folgt, ist eine großangelegte Fahndung nach dem flüchtigen Doppelmörder, der sich zwischenzeitlich aber schon wieder seines gestohlenen Fahrzeugs entledigt hat und seine Flucht entsprechend zu Fuß fortsetzt. Dabei widmet er sich auch endlich dem Inhalt des erbeuteten Aktenkoffers, woraufhin es Ahmet völlig die Sprache verschlägt, denn die Beute entpuppt sich als ein millionenschwerer Geldsegen in gebündelten Scheinen. Fassungslos vor Glück organisiert er sich daraufhin das nächste Fluchtfahrzeug, ohne dabei aber zu bemerken, dass auf dem Rücksitz des grünen Renaults ein gerade erst wenige Monate altes Kleinkind vor sich hindöste, welches es von da an erst einmal zu beruhigen gilt. Da aber zwischenzeitlich jegliche Straßen der Region durch polizeiliche Straßensperren blockiert sind, entledigt Ahmet sich in einem nahegelegenen Waldstück nicht nur kurz entschlossen auch dieses Fluchtwagens, sondern auch gleich von dem Kleinkind. Die vorerst letzte Etappe seiner Flucht führt Ahmet zu dem Anwesen des blinden Herrn Osman (Edilio Kim), der gemeinsam mit seiner Tochter (Karin Well) und seiner Nichte (Colette Descombes) ein recht luxuriöses Haus am Rande der Stadt bewohnt. Und was von da an folgt, ist dann echt nicht mehr spaßig....

Review

Türkisch-italienische Koproduktionen sind an sich schon meistens recht obskure Filme, die obendrein aufgrund ihres schmalen Budgets auch noch einen gewissen Charme versprühen. Und genau zu dieser Sorte von Filmen gehört dann auch CANI, für dessen Inszenierung sich wiederum der italienische Regisseur Guido Zurli (MISTER ZEHN PROZENT - MIEZEN UND MONETEN, DER WÜRGER KOMMT AUF LEISEN SOCKEN, DECKNAME SKORPION) verantwortlich zeigte. Doch bevor der Film in seinem Heimatland Italien erstmals auf der großen Leinwand uraufgeführt werden konnte, galt es zunächst infolge von betriebswirtschaftlichen Problemen der ursprünglichen Produktionsfirma 'Manta Cinematografica' einen geeigneten Nachfolger zu finden, wobei die Filmrechte aber auch schon kurz darauf an 'Sasa Cinematografica' übergingen. Doch anstatt den bereits fix und fertig geschnittenen Film endlich in die Kinos zu bringen, änderte die neue Produktionsfirma nicht nur den ursprünglich von Zurli intendierten Titel 'FACCIA DA LADRO' (Gesicht eines Diebes)' kurzerhand in 'POLIZIA SELVAGGIA' (Wilde Polizei), sondern fügte dem Film auch noch ein völlig neues Ende hinzu, was wiederum den Regisseur mächtig verärgerte. Als Reaktion auf das eigenmächtige Handeln der 'Sasa Cinematografica' änderte auch Zurli daraufhin seinen Namen einmalig in 'Frank Sanders' um. In der Türkei wurde der Film übrigens unter dem Titel 'GIZLI KUVVET' (Geheime Kraft) veröffentlicht. Guido Zurli verstarb am 23.10.2009 im Alter von 80 Jahren.

 

Neben einer türkischen VHS-Fassung, die übrigens vom Müncher Videofilmverleih 'NART VIDEO CENTER' vertrieben wurde, ist auch eine italienische Kinofassung bekannt, von der zumindest noch eine vollständige Filmrolle in den Archiven des Centro Sperimentale di Cinematografia (C.S.C.) schlummert. Und wie so oft unterscheiden sich dann auch diese beiden Fassungen voneinander, wobei die italienische zwar die kompletten letzten 5 Min. missen lässt, dafür aber in anderen Szenen um einiges freizügiger daherkommt. Weiterhin fiel in der türkischen Schnittfassung nicht nur die von Ahmet initiierte Lesbelei zwischen den beiden Damen der Schere zum Opfer, sondern weist auch einen völlig anderen Titelvorspann auf. Zu guter Letzt wurden auch den Rollencharakteren in beiden Fassungen unterschiedliche Namen verliehen, so dass Karin Well beispielsweise in der italienischen als Ehefrau auf den Namen 'Barbara' und in der türkischen als Tochter auf den Namen 'Asuman' hört. Edilio Kim spielt entsprechend in der italienischen Fassung ihren blinden Ehemann 'Gustav', wohingegen er in der türkischen Fassung wiederum ihren blinden Vater 'Osman' mimt.

 

Achtung! Hier kommt Ahmet!

 

Kommen wir zu dem recht außergewöhnlichen Hauptprotagonisten dieses günstig koproduzierten Polizeifilmstreifens, der nicht nur den Namen 'Ahmet', sondern auch einen farblich sehr gewagten Strickpullover trägt, dessen rosa-weiß-marineblauen Querstreifen sich farblich ordentlich beißen. Von seinen Gangsterkumpanen als Taugenichts angesehen und von der Gesellschaft an den Rand gedrängt gefühlt, wirkt Ahmet wie ein türkisches Quasi-Pendant von 'Giulio Sacchi', denn auch er ist ein leicht größenwahnhafter Kleinkrimineller, der der ganzen Welt zeigen möchte, welch krimineller Freigeist wirklich in ihm steckt. Obendrein fühlt sich unser 'Berserker vom Bosporus' dazu berufen, ein mächtiger Gangsterboss zu werden, obwohl ihm dazu jegliche Vorrausetzungen fehlen. Hierzu ein kompakter Auszug seines bisherigen Lebenslaufs:

 

Name: Ahmet Tarapiya
Geboren: am 24.07.1939 in Istanbul
Vater: unbekannt
Schulischer / beruflicher Werdegang: unbekannt
1955: Zweijährige Haftstrafe wegen Raub
1961: Neunmonatige Haftstrafe wegen Zuhälterei
1961 - 1970: In diesem Zeitraum verbüßte er insgesamt sechs kürzere Haftstrafen wegen Raub und wurde in einer staatlich anerkannten Psychiatrie einer genauen Diagnostik unterzogen. Ergebnis:  Eine mental gestörte Persönlichkeit mit Hang zum Psychopathentum.
Seit 1971: Diverse Hilfsjobs als Matrose oder Hafenarbeiter

 

Angesichts seines bisherigen Werdegangs dürfte es auch nicht verwunderlich sein, dass er in der modernen Leistungsgesellschaft keinen Fuß auf den Boden bekommt und sich daher seinen eigenen Weg suchen muss, um schließlich die Persönlichkeit zu werden, von der er seit Jahren träumt. Im Gegensatz zu seinem italienischen Pendant weist Ahmet Tarapiya nicht nur in manchen Situationen so etwas wie menschliche Züge auf, sondern wirkt auch im Großen und Ganzen rührseliger, was seinem Rollencharakter wenigstens ein paar wenige Sympathiepunkte verleiht, die er aber wiederum mit jeder fortschreitenden Filmminute mehr und mehr aufs Spiel setzt. Dargestellt wird der Rollencharakter des cholerischen Möchtegerngangsters von Piero Fabiani (ZWEI BABYSITTER AUF ACHT PFOTEN, IL  DEMONIO NEL CERVERVELLO, L'ALBERTO DELLA MALDICENZA), der seine Sache auch durchwegs überzeugend über die Bühne bringt. Und nachdem sich schließlich der tagträumerische Taugenichts eines schönen Tages auf offener Straße einen geldbündelschweren Aktenkoffer gewaltsam angeeignet hat, sieht er sich urplötzlich am Ziel seiner Träume angekommen, denn die Beute erweist sich als ein millionenschwerer Geldsegen. Doch leider ging Ahmet im Rahmen der illegalen Aneignung etwas zu unbeherrscht vor, so dass nicht nur der Besitzer des Aktenkoffers ohne großes Federlesen über die Wupper glitt, sondern auch ein schnauzbarttragender Polizeibeamter namens Ekrem das Zeitliche segnete, wodurch er sich wiederum den unerbittlichen Zorn der Istanbuler Polizei auf den Hals zog, die ihn mittlerweile gnadenlos im gesamten Stadtgebiet verfolgt. In seiner Not krallt sich Ahmet daraufhin erneut das erstbeste Auto, das einsam am Straßenrand parkt und macht sich quietschenden Reifens aus dem Staub, ohne dabei zu bemerken, dass sich auf dem Rücksitz ein bis dahin noch tiefschlafendes Kleindkind befand. Aufgeschreckt durch den unruhigen Fahrstil gilt es für Ahmet nun den kleinen Quälgeist irgendwie zu beruhigen, wobei er sich hierbei aber als recht pragmatisch zeigt, denn ein fingerdicker Schnullerersatz ist blitzschnell gefunden. Nachdem es für ihn aber auch mit diesem Fluchtwagen kein Weiterkommen mehr gibt, lässt er diesen samt dem Baby in einem abgelegenen Waldstück zurück und setzt seine weitere Flucht zu Fuß fort, bis er kurz darauf -zum Leidwesen der drei Bewohner- notgedrungen auf einem noblen Anwesen Unterschlupf vor der nahenden Polizei suchen muss.

 

Eigentlich hatte sich die aufreizende Asuman ihr Abendprogramm ganz anders ausgemalt, als sie plötzlich ihren blinden Vater verzweifelt nach ihr rufen hört. Gemeinsam mit ihrer Cousine Neval stürmt sie daraufhin schnellen Fußes auf den Flur des ersten Stockwerks, von wo aus die beiden dann zu ihrem Schrecken feststellen, dass sie allesamt Opfer einer gewaltsamen Geiselnahme geworden sind. Was folgt, sind seelenbelastende Erniedrigungen durch den unberechenbaren Geiselnehmer Ahmet, die für einige der anwesenden Personen dann sogar zu einem bitterbösen Ende führen. Der blinde Hausbesitzer hört in der türkischen Fassung auf den Namen Osman und wird von dem italienischen Schauspieler Edilio Kim (CAMPANA - DAS GNADENLOSE INFERNO, UN BIANCO VESTITO PER MARIALE, SS HELL CAMP) verkörpert. Doch Osman war nicht von Geburt an blind, denn sein Leiden war die Folge eines Unfalls, der ihm zudem seine Karriere als preisgekrönter Sportschütze kostete. Und seitdem fristet er gemeinsam mit seiner Tochter Asuman und seiner Nichte Neval ein friedliches Dasein in einem abgelegenen Haus am Rande der Stadt, welches aber nun plötzlich unter der Herrschaft des unerbittlichen Ahmets steht. Den damit einhergehenden Klimawandel bekommen aber die beiden Damen am heftigsten zu spüren, da Ahmet diese nicht nur zu gegenseitigen Lesbeleien zwingt, sondern die ihm hilflos ausgelieferte Asuman sogar auch noch am ganzen Körper mit seiner einläufigen Flinte befummelt. Verkörpert wird Asuman durch die italienische Darstellerin Karin Well (STACCO, HÄUTET SIE LEBEND - UNTERNEHMEN WILDGÄNSE, DIE RÜCKKEHR DER ZOMBIES), die sich spätestens durch ihre sagenhafte Darbietung in PORCO MONDO für alle Zeiten unvergesslich gemacht hat. In der türkischen Fassung soll sie eigentlich die Tochter des blinden Herrn Osman darstellen, obwohl ihre schmachtenden Blicke ihm gegenüber eigentlich etwas ganz anderes sagen.... Die dritte Hausbewohnerin ist die französische Schauspielerin Colette Descombes (ORGASMO, DEINE HÄNDE AUF MEINEM KÖRPER, KESSE TEENS - DIE ERSTE LIEBE), welche wiederum die leicht bieder wirkende Nichte des blinden Sportschützen verkörpert. Dabei ist sie die Einzige der schreckerstarrten Hausgemeinschaft, die in beiden Fassungen den gleichen Namen trägt, nämlich Neval.

 

Auf der Seite des Gesetzes ermitteln sich zwischenzeitlich Kommissar Murath und sein Vorgesetzter, der Polizeichef der 2. Division des Istanbuler Hauptquartiers, um Kopf und Kragen, wobei Murath von dem türkischen Darsteller Tarik Akan (ZWEI TEUFELSKERLE AUF DEM WEG NACH ISTANBUL, DREI TEUFELSKERLE MACHEN ALLES NIEDER, DAS BERGWERK) und Polizeichef Aziz Inan von der allseitsbekannten Genrefilmlegende Giorgio Ardisson (VAMPIRE GEGEN HERAKLES, DIE WEIBCHEN, CIAK SI MUORE) dargestellt werden. Der oftmals als türkischer Alain Delon bezeichnete Schauspieler Tarik Akan verkörpert dabei einen rastlosen Cop, der, wenn er nicht gerade größenwahnhafte Polizistenmörder jagt, am allerliebsten andauernd kleinen Haschdealern auf die Füße tritt. Sein Vorgesetzter Giorgio Ardisson macht dahingegen einen viel geruhsameren Eindruck, obwohl er in der Rolle des Polizeichefs auch selbst mal gerne -als Gasmann getarnt- zur Tat schreitet. Zu Guter letzt schauen dann auch noch die beiden türkischen Schauspielerinnen Yonca Yücel in der Rolle der nicht gerade vertauenserweckenden Bauchtänzerin Lale und 'Mademoiselle' Nevzat Okçugil als stimmungsaufhellende Nachbarin der Osmans auf einen Kurzauftritt vorbei.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei CANI zwar eindeutig um eine der besseren türkisch-italienischen Koproduktionen handelt, die aber im Direktvergleich mit thematisch ähnlichgelagerten Filmen wie beispielsweise ...ES BEGANN UM MITTERNACHT, DER SCHLITZER, JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN oder eben auch DER BERSERKER doch weitaus weniger drastisch daherkommt. Dies soll jetzt aber keinesfalls bedeuten, dass Ahmets zelebrierte Home Invasion einem abgetakelten Kaffekränzchen gleicht, sondern im Großen und Ganzen die Gürtellinie schon nach unten hin passiert, nur eben nicht ganz so tiefgehend... Und zum Ende hin überrascht der Film dann auch noch mit einer recht gelungenen Pointe, welche Ahmet wiederum fast gänzlich die Luft zum Atmen nimmt.

 

Abschließend sei auch noch auf die von Gino Peguri produzierte Filmmusik hingewiesen, deren einzelne Stücke zwar allesamt polizeifilmkonform klingen, aber letzten Endes doch vielmehr dahinplätschern, als sich nahtlos im Ohr festzusetzen.

 

Fazit: "They'll call me Godfather Ahmet!"

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.