La Califfa

Frankreich | Italien, 1970

Originaltitel:

La califfa

Alternativtitel:

Lady Caliph

Die Kalifin

Deutsche Erstaufführung:

09. November 1971

Inhalt

Nach dem Konkurs droht die Schließung einer der Fabriken von Doberdò (Ugo Tognazzi). Es kommt zum Streik und Doberdò, der selbst aus einfachen Verhältnissen stammt und sich zielstrebig nach oben arbeiten konnte, versucht bei seinen Leuten zu vermitteln. Dabei fällt ihm eine lebhafte junge Frau auf, die ebenfalls bei ihm beschäftigt ist. Man nennt sie "La Califfa" (Romy Schneider). Sie ist die Witwe eines Arbeiters aus Doberdòs Fabriken, der bei einer Demonstration ums Leben kam. Die anfängliche Feindseligkeit zwischen beiden schlägt schnell in ein Zusammengehörigkeitsgefühl um, obwohl sie auf unterschiedlichen Seiten kämpfen. Mit der heißblütigen Frau an seiner Seite lernt Doberdò wieder, das Leben mit anderen Augen zu betrachten und zu genießen, sodass er seinen Arbeitern schon bald einen Kompromiss vorschlagen wird. Doch dieser Sinneswandel wird aus seinem eigenen Lager mit Empörung zur Kenntnis genommen. Wer wird bei diesem Tauziehen zwischen Zugeständnissen und Verpflichtungen auf der Strecke bleiben..?

Autor

Prisma

Review

Roberto Bevilacqua inszenierte sein Regie-Debüt "La Califfa" vor dem Hintergrund schwerer sozialer Unruhen in Norditalien und zunächst darf festgestellt werden, dass es sich insgesamt um ein sehr interessantes Ausgangsmaterial handelt. Leider kristallisiert sich jedoch in Windeseile heraus, dass der Italiener seinen Film nicht in eine überzeugende Form bringen konnte, was das Anschauen mitunter zur Zerreißprobe werden lässt, denn das Publikum findet sich in einem Sumpf der Unübersichtlichkeit wieder. »Bevilacqua, der Script-Autor hatte vom Filmen nicht die blasseste Ahnung. Wir alle schwammen, sogar Ugo Tognazzi.« Diese Aussage von Hauptdarstellerin Romy Schneider bringt es kurz und schmerzhaft auf den Punkt, verweist bei dieser Gelegenheit gleichzeitig auf die wacklige Architektur der Geschichte. Und es ist tatsächlich so, dass sich "La Califfa" als unangenehme Aneinanderreihung falscher Untertöne sowie polemischer Inhalte entlarvt, ausstaffiert mit paraphrasierenden Dialogen, die der prekären Thematik leider die Ernsthaftigkeit nehmen. »Einzig und alleine Romy Schneider...« - ein immer wieder gerne verwendeter Satz bei schwächeren Filmeindrücken trotz ihrer Präsenz - hat für diesen Film, der zum offiziellen italienischen Filmbeitrag für die Festspiele in Cannes wurde, erstmalig kaum Relevanz. Die seinerzeit umstrittene Inszenierung wirkt insbesondere im Vergleich mit thematisch ähnlichen Beiträgen vollkommen missglückt, in ihrer hysterisch wirkenden Art und Weise sogar überambitioniert, ohne Timing sowie Fingerspitzengefühl, außerdem kommt es erschwerend hinzu, dass einem Floskeln und Klischees in Hülle und Fülle um die Augen und Ohren gehauen werden.

 

Leider wirkt die vom Prinzip her alles andere als uninteressante Geschichte in allen Bereichen überfrachtet und in eigenartiger Weise mit endlosen Aneinanderreihungen von Großaufnahmen und noch größeren Gesten und Worten gestreckt , die das Geschehen zusehends in die Unglaubwürdigkeit rücken. Ugo Tognazzi, der für den reichen Unternehmer wenigstens schon einmal die richtige Erscheinung mitbrachte, kann seine bekannten Stärken im Rahmen der Überzeugungskraft insgesamt nicht plausibel herausarbeiten. So bleibt Doberdò in jeder Beziehung unglaubwürdig; nur seinen dritten Frühling kann man ihm wegen seiner atemberaubend schönen Partnerin Romy Schneider gerade noch so abkaufen. Die schweren Geschütze in Form großer Gesten und bedeutsam klingender Worte offenbaren leider nichts als Selbstgefälligkeit und fehlende Balance, außerdem kommt es zu zahlreich kolportierten Ansichten, die drohen, dem immer noch interessierten Zuschauer schließlich den Rest zu geben. »Ich bin es endgültig leid nur Reden zu schwingen und nichts zu tun!«, verkündet Doberdò vollmundig in diesem erstaunlich gut ausstaffierten Szenario, und es scheint, als spreche er dem Zuschauer aus der Seele. Ugo Tognazzi gelingt es letztlich nur bedingt, seiner Figur ein markantes und mitreißendes Profil zu geben, was übrigens auch für Romy Schneider gilt, sodass sich eine Fehlkonstellation aus dem Bilderbuch ergibt, mit der sich nicht viel anfangen lässt. Die restlichen Darsteller reihen sich vornehmlich in die unscheinbare Fraktion ein, wenn es auch phasenweise zu richtig gelungenen Pointen kommen will. In diesem Zusammenhang ist sicherlich Marina Berti als Doberdòs loyale und unglückliche Ehefrau zu nennen, die in ihrem geringen Rollenumfang gewisse Akzente setzen kann.

 

Romy Schneider übernahm diese Rolle, da sie sich nach eigenen Angaben sehr dafür interessiert haben soll, jemanden darzustellen, der ganz anders sei als sie. »Es war der allererste Drehtag - da stand ich schon nackt da, für eine Liebesszene. Ich fragte mich, ob das vielleicht ein Trick der italienischen Regisseure sei, um ihren weiblichen Stars die Hemmungen zu nehmen?« Romy Schneider prägt ihre Califfa jedenfalls mit schauspielerischem Talent und ihrer grundeigenen Intuition, doch gleichzeitig ist auch der angestrengte Versuch zu bemerken, etwas Bedeutendes kreieren zu wollen, was jedoch an den hier vorhandenen Gegebenheiten scheitert. Möglicherweise liegt es sogar ein wenig an Romy Schneider selbst, dass ihr dieser hier geforderte bürgerliche Touch nicht besonders gut stehen will, obwohl sie sich kämpferisch und oppositionell präsentiert. Ihre Emotionen wirken in dieser Fasson aufgesetzt und gipfeln nicht nur zuletzt in Oberflächlichkeiten, weil die Schützenhilfe des Scripts fehlt, sondern Romy Schneider wird dem Empfinden nach nie eine Einheit mit ihrer Rolle, was sonst stets eines ihrer bekanntesten Markenzeichen war. So bleibt die Titelfigur verhältnismäßig blass  und beispiellos fremd. Die sympathische und unbändig wirkende Heldin, die vordergründig vor Sinnlichkeit und Temperament nur so strotzt, wurde von der zeitgenössischen Kritik nicht selten für ihre Califfa gelobt - doch was ist gewonnen, wenn eine derartige Darbietung wie ein schwach von außen choreografierter Kraftakt aussieht? Bestimmt gibt es hierzu sehr verschiedene Ansichten, doch Quervergleiche zwischen ähnlichen Filmen und Romy Schneiders zahlreichen Rollen definieren in dieser Produktion das persönliche Schlusslicht in ihrer Ausnahme-Filmografie.

 

"La Califfa" möchte sich als vollkommen ernstzunehmender Beitrag präsentieren und arbeitet mit Hochdruck daran, alle erdenklichen Geschütze für das Fabrizieren derartiger Eindrücke aufzufahren. Leider werden in dieser Hinsicht zahlreiche Genre-Gesetze verletzt, wenn auch nicht gerade ausgehebelt, und unterm Strich bleibt eine auffällig ziellose Regie zurück, die das Mammutprojekt nicht ausbalancieren konnte. Die Geschichte ist und bleibt beinahe trivial, obwohl ihr eine Thematik zugrunde liegt, die wohl alles andere hätte hergeben können. Handlung und Erzählfluss hinterlassen manchmal einen geradezu schnipselartigen Eindruck, und Banalitäten werden in scheinbar intellektuelle Gewänder gezwängt. Somit stellt sich der entbrannte Klassenkampf im Verlauf eher als Kampf der Geschlechter heraus und vermittelt einen zusätzlich wirren Eindruck, da es zu einem Tauziehen kommt, das zwar plastisch dargestellt wird, jedoch wichtige Erklärungen vermissen lässt. Gerade aus dieser Konstellation, deren Nährboden der Tod gewesen ist, hätte wesentlich mehr Konfrontation, Brisanz und Feuer hervorgehen müssen. Bemerkenswert hingegen sind die imposanten Kulissen vor den Hochöfen von Terni, die (wie viele andere Schauplätze auch) sorgsam eingefangen wurden, sodass eine Vielzahl von Bildern entsteht, die durchaus zu einer beachtlichen Atmosphäre im visuellen Bereich beitragen. Das große Plus ohne Makel bleibt die verheißungsvolle Musik von Ennio Morricone. "La Califfa"ist insgesamt zu einem guten Beispiel für eine Art Film geworden, der seine Thematik vielleicht zu ernst genommen hat und bei dem die Regie an den absolut überqualifizierten Grundvoraussetzungen gescheitert ist. Möglicherweise hätte unter anderer Regie ein Klassiker daraus werden können, doch das letztliche Ergebnis spricht hier in aufdringlicher Weise für sich selbst. Leider misslungen!

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