Blutiger Zahltag

Italien | Spanien, 1977

Originaltitel:

La ragazza dal pigiama giallo

Alternativtitel:

La chica del pijama amarillo (E)

The Girl in the Yellow Pajamas

The Pyjama Girl Case

Regisseur:

Flavio Mogherini

Inhalt

In einem Autowrack am Strand findet man eine bis zur Unkenntlichkeit entstellte Frauenleiche die einen auffälligen gelben Pyjama trägt. Das Opfer wurde erschossen und ihr wurde zusätzlich der Schädel eingeschlagen bevor man versuchte sie zu verbrennen. Die Stadt ist in Aufruhr und die Polizei gerät unter immensen Druck, den Mörder so schnell wie möglich zu finden. Inspektor Ramsey (Ramiro Oliveros) von der Mordkommission scheint bislang im Dunkeln zu tappen, da das Motiv im Unklaren liegt. Der bereits pensionierte Inspektor Thompson (Ray Milland) bietet ihm seine Hilfe an und es scheint, dass er aufgrund seiner unorthodoxen Ermittlungen und der jahrelangen Erfahrung, immer einen Schritt voraus ist. Als sich die verfolgte Spur tatsächlich als brandheiß herausstellt, wird es für den ehemaligen Inspektor sehr gefährlich. Vom Polizeiapparat ist jedoch keine Hilfe zu erwarten, da man bereits den mutmaßlichen Täter, einen altbekannten Voyeur (Giacomo Assandri), dingfest gemacht hat und des Mordes beschuldigt...

Autor

Prisma

Review

Flavio Mogherinis Film beginnt recht eigenartig mit einer Off-Stimme die erklärt, dass es sich um einen Fall nach wahren Begebenheiten handelt, der an Originalschauplätzen stattfindet. Der Zuschauer wird sich über die gesamte Spieldauer an diese Information erinnern, was eine große Verwirrung stiftet, weil man eigentlich keinen Realitätstransfer wahrnehmen kann und die Geschichte ziemlich inkohärent erzählt wirkt. Auf der anderen Seite beginnt "Blutiger Zahltag" aber auch richtig spektakulär, als eine nicht zu identifizierende Leiche gefunden wird. Das Setting ist idyllisch, der harte Schock wurde über ein Kind gesetzt, was sich ja erfahrungsgemäß immer gut auszahlt, um den Zuschauer zu beunruhigen. Nach wenigen Minuten zeigt sich außerdem, dass der Film von handwerklicher Seite bemerkenswerte Akzente in den Bereichen der Bildgestaltung und der Detail-Orientierung setzen wird, doch langsam aber sicher kippt das Ganze dem Empfinden nach um. Man bekommt den Eindruck, dass die Regie ausschließlich über die visuelle und akustische Wahrnehmung des Zuschauers zu punkten versucht, um die vermeintlich schwache Dramaturgie zu verschleiern. Aber bei diesem Verlauf sollte man sich selbst am wenigsten trauen! Des Weiteren lebt der Film von Riz Ortolanis überragender Musik die Stimmungen provoziert und geschilderten Emotionen greifbare Gesichter verleiht. Was die Besetzung angeht, so war der erste Blick relativ ernüchternd, doch es stellt sich umgehend heraus, dass wirklich alle Darsteller zu Höchstleistungen auflaufen und tiefe Charakterzeichnungen kreieren.

 

Das Geschehen ist angereichert mit einer bunten Mischung aus unterschiedlichsten Personen, die quasi im gegenseitigen Einvernehmen nur hohe Widerstände zu Tage bringen. Ray Millands Rolle ist ein kleiner Seitenhieb an die Polizei, deren moderne Auffassungen und progressive Methoden, sein Zynismus bereichert das Geschehen ungemein doch es scheint, als laufe er einem Phantom hinterher. Seine gesammelten Indizien wirken daher wie ein Sack Reis, der gerade in China umgefallen ist. Die beiden Inspektoren Ramsey und Morris (sehr eingängig dargestellt von Ramiro Oliveros und Rod Mullinar), erwecken den Eindruck von auffälliger Inkompetenz, was aber auch wiederum nur an dem renitenten Ermittler a.D. liegt, der mit seiner Schnüffelnase überall zu sein scheint. Sympathiepunkte werden nur spärlich verteilt, so dass man jeden in den Kreis der Verdächtigen mit hinein denkt. Wo es auf Seiten der Polizei noch nachvollziehbar ist, warum die Personen im Geschehen auftauchen, hat man mit dem Rest der Crew wesentlich größere Probleme, sie adäquat zuzuordnen, beziehungsweise wenn man ehrlich ist, tappt man genau wie die Polizei vollkommen im Dunkeln. So kristallisiert sich dem Anschein nach eine völlig überflüssige Nebenhandlung heraus, von der man meinen möchte, dass man sie sich auch getrost hätte sparen können. Ein von komplexen gequälter, italienischer Kellner namens Antonio, der Glenda, eine Art pathologische Nutte heiratet, deren Probleme, ihre Kämpfe und die Schicksalsschläge... Ja, es gibt mehrere Charaktere die nicht ins Geschehen hinein passen wollen. Auch Glendas ungemütlich wirkender Liebhaber oder der Professor, ein väterlich wirkender Freund von ihr, stiften nichts als Ratlosigkeit. Aber es ist Vorsicht geboten und darüber hinaus eine immens hohe Konzentration erforderlich.

 

Besonders hervorzuheben ist tatsächlich Dalila Di Lazzaro die mit ihrer Rolle der Glenda besondere Verwirrung stiftet, und die hervorragend spielt und noch verführerischer aussieht. Der Verlauf ist geprägt von einer eigenartigen Leere, die zumindest so interpretiert wird, außerdem kommt es zu einer sich immer deutlicher durch den Film windenden Langeweile, so dass Mogherinis Beitrag voreilig und klammheimlich abgeschrieben wird. Solch ein Verlauf wirkt in der Regel verärgernd, und man bekommt den Impuls, die Regie als inkompetent abzustempeln und den Film in der Luft zu zerreißen. Selbst dass sich noch ein möglicher Twist verbergen könnte, war der abwegigste aller Gedanken. Doch dann wird das Finale mit beinahe widerwärtigen Szenen angebahnt und langsam aber sicher gehen einem die Augen auf. "La ragazza dal pigiama giallo" wagt einen überaus beeindruckenden, nein, perfiden Blick zurück nach vorn und definiert das Zusammenfügen eines Mosaiks auf atemberaubende Art und Weise fast neu. Die Entschädigung für so viel mutmaßlichen Leerlauf oder für fehlende Zusammenhänge ist enorm und ich möchte beinahe sagen, dass sich die Regie eines doch seltenen Stilmittels bedient hat, welches vielleicht intelligente "Langeweile" genannt werden kann. Das Finale offeriert schließlich eine Art sentimentaler Tragik, weil Blumen sprechen dürfen und persönliche Reaktionen vorprogrammiert sind. Begeisternd! Unterm Strich bleibt also nicht nur ein Film, der handwerklich gesehen hohe Qualitätsansprüche geltend gemacht hat, sondern er hat glücklicherweise das Potential, den richtigen Nerv beim Zuschauer zu finden, da er nach komplett anderen Berührungspunkten sucht. Ob er das generell schafft, ist eine andere Frage. Diese Attacke an die Wahrnehmung konnte rückwirkend jedenfalls sehr faszinieren und es kam sogar beinahe Erleichterung auf, nicht einfach abgeschaltet zu haben, obwohl genügend Impulse dazu da waren. Ein unorthodoxer Volltreffer!

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Prisma

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