Death Watch - Der gekaufte Tod

Frankreich | Deutschland, 1980

Originaltitel:

La mort en direct

Alternativtitel:

La muerte en directo (ESP)

La morte in diretta (ITA)

A Morte em Directo (POR)

Death in Full View

Death Watch

Deutsche Erstaufführung:

09. Mai 1980

Inhalt

Eine Großstadt. Auf den ersten Blick sieht alles ganz normal aus. Gezeigt wird das hektische Profil einer Metropole, die Menschen sind in Bewegung, gehen ihrem Tagesgeschäft nach. Doch die Zeiten haben sich geändert, denn in dieser Gesellschaft stirbt man zwar noch aufgrund des Alters oder durch fremde Hand, aber es existieren keine Krankheiten mehr, die zum Tode führen könnten. Die Schriftstellerin Katherine Mortenhoe (Romy Schneider) gehört zu den wenigen Menschen, bei denen eine tödliche Krankheit diagnostiziert wird. Ihr Arzt gewährt einem Team von Fersehleuten bei dem Gespräch anwesend zu sein, das sie durch einen einseitigen Spiegel beobachten. Diese beiden Männer sind Vincent Ferriman (Harry Dean Stanton), Direktor eines großen TV-Senders, und der Fernseh-Produzent Roddy (Harvey Keitel). Da das Fernsehen der große Zeitvertreib der Masse ist und man mit dem Tod kaum mehr in Berührung kommt, planen die beiden daraus das TV-Happening "Death Watch" zu konstruieren, den begleiteten Tod vor laufender Kamera. Doch Katherine schlägt das lukrative Angebot von "Death Watch" aus. Als der Druck immer größer wird, unterschreibt sie den Vertrag, hat aber ihre eigenen Pläne und begibt sich auf die Flucht. Roddy ist ihr allerdings auf den Fersen und mithilfe einer Kamera, die er sich direkt in den Kopf hinein operieren ließ, kann er jeden Schritt des Objekts der Medien verfolgen und aufzeichnen...

Autor

Prisma

Review

»Eine Zukunft, die morgen schon Gegenwart ist?« Diesen Aufhänger kann man auf dem deutschen Kinoplakat zu Bertrand Taverniers beklemmenden Science-Fiction-Beitrag vernehmen und beinahe kommt es einem fast 40 Jahre nach Entstehung dieses vielleicht verkannten Meisterwerks wie eine Frage vor, die rhetorischer nicht sein könnte. Hieraus ergibt sich also die große Stärke der Geschichte, da sie ihrer Zeit um Längen voraus ist und Gefahren anreißt, die zur damaligen Zeit eher in potentieller Form existiert haben dürften. In Zeiten des Reality-TV mag das Ganze vielleicht nicht mehr so außergewöhnlich erscheinen, da man es vor allem mit einer ruhigen, kaum hektischen Bearbeitung zu tun hat, aber rückblickend entsteht beinahe ein Zynismus, der erst einmal übertroffen werden muss. Die anbrechende neue Dekade wird zunächst einmal gut widergespiegelt, damit verbundene Zukunftsängste und nicht absehbare Innovationen thematisiert und der Verlauf sollte bei aller möglichen Realitätsnähe aber eher als gesellschaftskritische Parabel interpretiert werden. Eigenartigerweise ist "Der gekaufte Tod" fast in Vergessenheit geraten, was gerade wegen der Partizipation von Hauptdarstellerin Romy Schneider ungewöhnlich ist, doch die Thematik wirkt auf den ersten und sogar auf den zweiten Blick sehr depressiv, fast schon zurückweisend und über weite Strecken beunruhigend. Also braucht man hier auf keinen leichten Gang zu spekulieren, sondern eher auf einen Leidensweg. Tavernier achtet trotz des schweren Stoffs auf Lichtblicke, die zu ganz großen, bewegenden Szenen des Kinos dieses Zeitfensters gehören. Der Verlauf wird zunehmend rasanter, nimmt immer kontraktere Formen an und provoziert in einem regelrechten russischen Roulette der Emotionen und Stimmungen eindeutige Positionen vom Zuschauer.

 

Nicht nur die Vehemenz der Inszenierung sorgt für eine unglaubliche atmosphärische Dichte, sondern auch die hochklassigen Darbietungen der Schauspieler tragen zu ganz bewegenden Momenten bei. Wer sich ein bisschen mit dem Gros des Schaffens von Romy Schneider auseinandergesetzt hat, wird auch in dieser sehr anspruchsvollen Rolle sehen, dass die Schauspielerin von ihr fasziniert gewesen sein wird. Außerdem kommt es dem persönlichen Empfinden nach erneut zu einer Verschmelzung zwischen Interpretation und überlieferten Szenen des Privatlebens, wie beispielsweise Romy Schneiders öffentlicher Krieg mit der Presse. An Regisseur Bertrand Tavernier schrieb sie in diesem Zusammenhang: »Drei Viertel dieses Films haben mit mir zu tun. Ich werde Deine Katherine sein, ich werde es die ganze Zeit bis zum Schluss sein.« Was hier wie ein Versprechen klingt, sollte sich auch bewahrheiten, denn wieder einmal sieht man eine Interpretation der Schauspielerin, die leidenschaftlich aufgeladen und exzellent gespielt ist. Das makabere Thema und der gesamte Verlauf wird lebendig durch Romy Schneiders Gesicht. Die Hetze durch die Presse nimmt phasenweise unerträgliche Züge an und die Sensationslust, die jeder Zuschauer sein Eigen nennt, wird als brüchiger Spiegel vorgehalten. An ihrer Seite sieht man den Amerikaner Harvey Keitel, der dem Zuschauer zu Beginn sehr viel zumutet, um später eine tragische Metamorphose durchzumachen. Der erste Gedanke an das Duo Keitel und Schneider will im Vorfeld nicht richtig funktionieren, doch spätestens wenn man die besondere Interaktion mit den eigenen Augen sieht, aber auch mit denen der Kamera-Teams oder der Protagonisten, stellt sich Faszination, Mitfiebern und Überzeugungskraft ein. In den wenigen Sequenzen, in denen die beiden Hauptdarsteller das Feld ihren Nebenfiguren überlassen, entstehen ebenso subtile, aber auch vollkommen sterile Momente.

 

So sieht man beispielsweise Harry Dean Stanton, Vadim Glowna und Eva Maria Meineke, Max von Sydow oder Bernhard Wicki in einem ergreifenden Gastauftritt, außerdem kommt man in den Genuss einer einmaligen Angelegenheit, denn Romy Schneiders Sohn David hat hier eine besonders schöne Szene mit seiner Mutter. Was man insgesamt sieht, ist eine besondere Interpretation des weitläufigen Themas Science-Fiction und es wird geschickt mit diversen Abgründen und (eigenen) moralischen Grenzen sowie Gesetzen gespielt, sodass man nach dem Ende selbst hinterfragen darf, wo genau man eigentlich selbst steht. Die Erstansicht kann diesem Beitrag potentielle Probleme bereiten, da er zunächst vielleicht nicht das hergeben möchte, was er im Vorfeld suggeriert, nicht bereitwillig das preisgeben möchte, was man erwartet und es ist die alternative Herangehensweise, die entrüsten kann, weil sie der Realität nicht so fern scheint, wie man es sich zunächst einbilden könnte. Das Hauptthema der gnadenlosen Verfolgung nimmt nervöse Tendenzen an, um in pure Spannung umzuschlagen. Auch kleinere Action-Kostproben werden bereit gehalten. Immer wieder kommt es aber ausgleichsweise zu ruhigen Momenten. Manche, die so heruntergefahren wirken, das sie kaum zu begreifen sind und die vielen Etappen, die beide Protagonisten nehmen müssen, wirken ab einem gewissen Zeitpunkt determiniert, nur noch in eine Richtung laufend und eine logische Konsequenz fordernd. Als Ende einer unbarmherzigen Hetzjagd wünscht man sich nun förmlich einen Befreiungsschlag, oder Ruhe und Einklang, die von der Regie auch gewährt werden, in Form einer bitteren Prognose jedoch für anhaltende Atemlosigkeit sorgen. "Der gekaufte Tod" ist insgesamt ein bemerkenswerter Beitrag des anspruchsvollen Kinos geworden, der durch Kompetenz in allen erdenklichen Bereichen zu dem wurde, was er ist; nämlich ein weitsichtiges und einfach nur herausragendes Experiment.

Autor

Prisma

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