Sehnsucht

Italien, 1954

Originaltitel:

Senso

Alternativtitel:

Livia, un amor desesperado (ARG)

Sedução da Carne (BRA)

Sentimento (POR)

The Wanton Countess

Deutsche Erstaufführung:

17. Februar 1956

Regisseur:

Luchino Visconti

Musik:

Nino Rota

Inhalt

Venedig, 1866. Während einer Opernvorstellung verbreitet sich die Nachricht, dass Österreich, welches Venedig besetzt hält, von den Preußen in einer ersten großen Schlacht besiegt wurde. Der Marquese Roberto Ussoni (Massimo Girotti), Cousin der Contessa Livia Serpieri (Alida Valli), lässt sich dazu hinreißen, den österreichischen Colonel Franz Mahler (Farley Granger) zu ohrfeigen und zu einem Duell am kommenden Morgen zu fordern.

 

Die Contessa will Schlimmes verhindern und nimmt Kontakt zu Franz Mahler auf, um diesen zu bitten, nicht zum Duell zu erscheinen. Das Duell findet daraufhin nicht statt, denn Roberto Ussoni wird festgenommen und für ein Jahr in die Verbannung geschickt. Bei einem weiteren Zusammentreffen mit Mahler verliebt sich die mit einem deutlich älteren Kollaborateur verheiratete Contessa in den jungen österreichischen Offizier. Dabei ignoriert sie die Warnungen, dass Mahler ein junger Hitzkopf sei, der sich für viele Frauen interessiert.

 

Bereits kurz nach Beginn ihrer Affäre ist Mahler plötzlich nicht mehr auffindbar, und als die Kämpfe zwischen italienischen Nationalisten und Österreichern beginnen, begibt sie sich mit ihrem Mann auf das gemeinsame Landgut in Aldeno. Ihr Cousin bittet sie bei einem heimlichen Treffen, das gesammelte Geld der Untergrundkämpfer aus Venedig zu schmuggeln. Kurz vor der Schlacht von Custozza erscheint Franz bei ihr, und Livia verrät endgültig ihre nationalistischen Ideale, indem sie Franz das Geld überlässt, angeblich, damit dieser sich beim Militärarzt vom Kriegseinsatz freikaufen kann.

 

Doch ihr steht eine große Enttäuschung bevor.

Review

Über Visconti und seinen Film „Sehnsucht“ wurde selbstredend schon viel geschrieben, von Beginn und Ende des Neorealismus, vom Beginn von Viscontis Auseinandersetzung mit Adel und Zerfall, doch im Gegensatz zu meinen eigenen früheren Visconti-Reviews will ich es heute mal leichtherzig angehen.

 

„Senso“ entstand nach der Erzählung „Senso. Das geheime Tagebuch der Contessa Livia“ von Camillo Boito und war mit einer Originallänge von 126 Minuten Viscontis erster Farbfilm, gedreht auf 36 Millimeter in Technicolor. Als Amateur beschreibe ich ihn mal als eine Mixtur aus Historiendrama, Viscontis Passion des Verfalls und erschütterndes Melodram. Das Vollbildformat passt dabei ins Schema des strappalacrime à la Raffaele Matarazzo, und Visconti-Fans würden mich für diesen letzteren Vergleich sicher mit Freuden steinigen. Aber im Mittelpunkt steht nun mal die unglückliche Liebe zwischen der Contessa und dem jungen Offizier, und die fürs italienische Melodram typische Abwärtsspirale tragischer Wendungen bis hin zum kompletten Zerfall allem möglichen Glücks und aller Hoffnung ist hier sehr deutlich. Mit höherem Budget und namenhafterem Personal natürlich als es einem Matarazzo je zur Verfügung stand aber unübersehbar.

 

Zu dem namenhaften Personal gehört Farley Granger, der hier sechs Jahre nach seinem Auftritt in Alfred Hitchcocks „Cocktail für eine Leiche“ kein bisschen wie knapp Dreißig aussieht. Schwer nachvollziehbar ist die Verliebtheit der Contessa in diesen jungen Offizier dagegen für den Zuschauer, denn der junge Franz Mahler ist schnöselig, leichtlebig und noch dazu Angehöriger der Feindesarmee. Visconti ist es nicht gelungen, dem Zuschauer diese plötzliche Verliebtheit der Contessa wirklich nahe zu bringen, die fast schon an Hörigkeit grenzt. Jene Livia Serpieri wird dargestellt von Alida Valli, und wer sie aus „neueren“ Produktionen – etwa Alberto de Martinos „Schwarze Messe der Dämonen“ (1974) oder Argentos „Horror Infernal“ (1980) kennt – wird wohlwollend zur Kenntnis nehmen, was für eine schöne Frau Valli zu Beginn ihrer Karriere war. Farley Granger wird im italienischen Original von Enrico Maria Salerno gedubbt. Als Gelegenheits-Visconti-Zuschauer wird es einem mitunter schwerfallen, die erste Hälfte des Films mit seiner steifen Inszenierung und sehr vielen schwülstigen und nicht immer glaubwürdigen Dialogen durchzusitzen, aber es lohnt sich, denn die zweite Hälfte wird deutlich spannender mit einem markerschütternden Finale. Vielleicht ist es aber auch nur die sehr preiswert klingende deutsche TV-Synchro, die so manches erschwert. Mag sie durchaus originalgetreu sein, schön ist sie leider nicht.

 

Für die Dialoge der englischsprachigen Fassung wurden Paul Bowles und Tennessee Williams engagiert, und als Regieassistenten fungierten unter anderem Francesco Rosi und Franco Zeffirelli. Mit gemischten Gefühlen wurde „Sehnsucht“ bei den Filmfestspielen in Venedig aufgenommen, was nicht zuletzt auch an den mehr als zwanzig Zensurschnitten lag, die sowohl durch die Produzenten selbst als auch anschließend zusätzlich durch die Moralkommission vorgenommen wurden. Bei der Preisverleihung unterlag „Senso“ der Romeo und Julia-Adaption von Renato Castellani. Die „Rache“ hierfür erfolgte dann jedoch durch das Publikum, dass „Sehnsucht“ zum achterfolgreichsten italienischen Kinofilm des Jahres 1954 und somit zu einem großen kommerziellen Erfolg machte. Zwei tragische Todesfälle stehen mittelbar/unmittelbar mit „Senso“ in Verbindung: der Kameramann G. R. Aldo (Vittorio de Sicas „Umberto D.“) starb während der Dreharbeiten bei einem Autounfall, seine Tätigkeit wurde dann von Robert Krasker übernommen, welcher ungefähr zur selben Zeit wegen dem bereits erwähnten „Romeo und Julia“ von Renato Castellani in Italien weilte. Nur ein Jahr nach „Sehnsucht“ starb die wunderschöne Miss Italy Marcella Mariani (in „Senso“ die Prostituierte gegen Ende) im Alter von nur 19 Jahren bei einem Flugzeugabsturz. Mariani hatte es bis dahin auf neun Filmrollen – davon fünf nennenswerte, neben Visconti bei Marino Girolami und Valerio Zurlini – gebracht und wurde als hoffnungsvolle Schauspielerin des italienischen Films gehandelt.

 

Viscontis „Sehnsucht“ erschien bei Kinowelt/Arthaus sowohl als DVD als auch als Blu-ray im 126-minütigen Director’s Cut, schön anzusehen, allerdings wie gesagt mit eher grenzwertiger TV-Synchro. Aber da kann man wohl nichts machen.

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