Killer, adios

Italien | Spanien, 1968

Originaltitel:

Killer, adios

Alternativtitel:

Winchester, uno entre mil (ESP)

Qui a tué Fanny Hand? (FRA)

Uma arma entre mil (POR)

Killer Goodbye (USA)

Winchester Justice (USA)

Winchester One of One Thousand

Regisseur:

Primo Zeglio

Kamera:

Julio Ortas

Inhalt

Jess Brayn kehrt in seine Heimatstadt zurück, die er einst aufgrund seiner Schießwütigkeit verlassen musste. Der Grund seiner Wiederkehr ist eine Einladung von Bill Bragg, der ihn als neuen Sheriff anheuern will. Kaum angekommen entgeht Jess auch gleich einem Mordanschlag, doch die für ihn reservierten Kugeln finden ein anderes Opfer. Die Mordwaffe: eine Winchester mit der Produktionsnummer 1.000, dessen Besitzer: Jack Bradshaw, ein Ganove, dem so ziemlich jeder die Pest an den Hals wünscht. Einzig Jess zweifelt an Bradshaws Schuld.

Review

Ich fühle mich mittlerweile in so vielen Filmgenres zuhause, dass ich dem Rezensieren nicht immer nachkommen kann. Es gibt jedoch einige Genrevertreter, denen man zumindest ein paar würdigende Worte widmen sollte, erst recht, wenn man bei seiner ersten großen Liebe des italienischen Genrekinos, dem Italo-Western, zu Gast ist. Das Feld dieser stiefelländischen Bleiopern ist in opulenter Weise bestellt, doch obwohl ich den Großteil dieses mannigfaltigen Fundus abgearbeitet habe, lassen sich immer noch kleine Perlen entdecken, die den subjektiven Westernkosmos bereichern. Eine dieser relativ unbekannten IW-Produktionen ist „Killer, adios“, dessen Regisseur, Primo Zeglio, diverse Ingredienzien des US-Western in die Gestaltung einbringt. Aufgrund des Produktionsjahrs 1968 (welches „Killer, adios“ für sich beansprucht) recht ungewöhnlich, da die US-lastige Frühphase des italienischen Westernkinos bereits einige Zeit zurücklag und eine individuelle Genreprägung längst erfolgreich abgeschlossen wurde.

 

Im Gegensatz zu den meisten Western (ungeachtet ob europäischer oder amerikanischer Prägung) praktiziert der (Anti)held in „Killer adios“ seine Einreise per Lokomotive, erst dann schwingt er sich in den Sattel, um an seine alte Wirkungsstätte zurückzukehren. Ob man die Eisenbahn als einen Verweis in Richtung abgeschlossene Zivilisierung des Wilden Westen deuten mag, ist jedem selbst überlassen. Der Film siedelt sich jedenfalls in der (wie Norbert Grob und Bernd Kiefer es innert ihres Einleitungstexts zum Reclam-Taschenbuch „Filmgenres Western“ suggerieren) dritten Epoche der realen Geschichte Amerikas an, dem Ressort in dem sich z. B. Zivilisierte und Outlaws gegenseitig die „Schädel einschlagen“.

 

„Du hast leider eine zu schnelle Hand, Jess.“ (Clint Simpson)

 

Und eben diese Tatsache zwang den Hitzkopf seine Heimat zu verlassen, denn Jess pfuschte dem Sheriff das ein ums andere Mal in dessen Arbeitsabläufe. Doch nach (s)einer Denkpause beteuert der Exzentriker, dass er zu einem überlegt handelnden Zeitgenossen gereift ist. Es wird allerdings schnell klar, dass Jess´ Zeigefinger ebenso nervös ist, wie man es vor einer Abreise von ihm kannte. Er ist und bleibt, der für Scherereien und Feindseligkeiten stets offene Heißsporn. Ein Kümmerer, der den aufrechten und unaufrechten Bürgern gewaltig auf die Eier geht. Diese Rolle schreit natürlich nach einem entsprechenden Milchgesicht wie Peter Lee Lawrence, dem übrigens immer noch nachgesagt wird, dass er seinem Leben ein freiwilliges Ende setzte. Diese Aussage sowie die damit verbundenen Angaben in den Internetdatenbanken sind schlichtweg falsch, denn Peters Witwe meldete sich vor einigen Jahren in einem Forum zu Wort und deklarierte das Ableben ihres Mannes als die Folge eines Gehirntumors.

 

Rückwirkend betrachtet gehört Peter Lee Lawrence zum Italo-Western, wie die Kodderschnauze zum Dachdecker. Mehr als die Hälfte seiner Filmrollen absolvierte er in italienischen Westernvehikeln. Diesbezüglich mag ich keine seiner Leistungen besonders hervorheben, denn ob „Sein Steckbrief ist kein Heiligenbild“, „Garringo - Der Henker“, „Ein Colt für 100 Särge“ etc., PLL konnte jedem IW seinen persönlichen Stempel (der nicht jedem IW-Fan zusagt) aufdrücken. Knapp 1 Jahr vor „Killer adios“ drehte PLL mit Alfonso Brescia einen Western, „Stirb oder Töte“, in den die Elemente eines Kriminalfilms eingebracht wurden.

 

Meine erste Konfrontation mit einem solchen Western-Crime-Hybrid erfolgte in den späten 1970ern: die TV-Ausstrahlung von Henry Hathaways „Todfeinde“, einem harten US-Western, der deutliche Spuren hinterließ und mich sogar während des Schulunterrichts begleitete. Auf die Anweisung des Schulmeisters, einen Aufsatz über einen Film (den wir im TV schauen durften) zu schreiben, stürzte ich mich auf „Todfeinde“. Doch die Pointe, dass ein Pfaffe für die Morde verantwortlich sei, erweckte im Pauker eine tiefe Abneigung: nach dem Motto, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Soviel zur damaligen Weltoffenheit und den verbohrten Pflichterzieherprinzipien.  

 

Back to topic. „Killer adios“ fungiert wie der zuvor genannte „Stirb oder Töte“ als eine Genremixtur aus Western und Crime. Dabei rückt eine besondere Mordwaffe, eine Winchester mit der Produktionsnummer 1.000, in den Mittelpunkt. Leger genommen, ein Pendant zum funkelnden Silberstahl aus diversen Giallo-Thrillern. Zudem wird der Täter nach dem stets fruchtenden whodunnit-Prinzip ermittelt. Doch der Weg zur Lösung sowie die Lösung selbst könnten den Logikfanatikern einige Probleme bereiten, auch wenn sie schlussendlich die aufgedeckten Ungereimtheiten als einen Sieg ihres messerscharfen Verstands feiern werden.

 

Die Suche nach dem unbekannten Killer wird akustisch von einem angenehmen Leitmotiv (interpretiert von Maurizio Graf) eingeleitet. Grafs Stimme wirkt gewohnt prägnant und kann sich ähnlich wie in den Filmhymnen „Angel Face“ und „Il Ritorno di Ringo“ bei seinen Zuhörern durch- und festsetzen. Abgesehen von diesem typischen IW-Maintheme, transportieren die weiteren musikalischen Untermalungen (komponiert von Claudio Tallino) Impressionen, die man mit den Kompositionen aus diversen US- und Teutonen-Western assimilieren kann.  

 

Die Darsteller (PLL, Eduardo Fajardo, Nello Pazzafini etc.)  machen allesamt einen – wie Schalke Trainer Domenico Tedesco es umschreiben würde – seriösen Eindruck. Was die weiblichen Parts anbelangt, so bekommt Rosalba Neri als Fannie Endes nicht die Chance, um ihr schauspielerisches Potential zu entfalten und fungiert einzig als Opfer. Wesentlich prägnanter ist Marisa Solinas Präsentation der Sheriff-Tochter, Sheila Simpson. Und dieses ist durchweg negativ zu verstehen, da sie mit ihrem aufdringlichen Spiel ganz gewaltig nervt.

 

„Du hast zu schnell geschossen, Jess!“ (Clint Simpson)

 

Mag sein, Sheriff Klugscheißer, aber Jess sorgt mit seiner Unüberlegtheit sowie seinem unkontrollierbaren Zorn für kurzweilige Unterhaltung, denn dieser in den Gegenden um Madrid (Hoyo de Manzanares, Colmenar Viejo und La Pedriza) gedrehte Western lässt die Zeit verfliegen und seine kleinen Mankos darf man wohlwollend tolerieren.

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