Die Geliebte des Anderen

Frankreich | Italien, 1970

Originaltitel:

Qui?

Alternativtitel:

Quem é Você? (BRA)

Qui? (FRA)

Il cadavere dagli artigli d'acciaio (ITA)

Quem? (POR)

Deutsche Erstaufführung:

30. September 1971

Regisseur:

Léonard Keigel

Inhalt

Der Ausflug des Paares Claude (Gabriele Tinti) und Marina (Romy Schneider) in die Bretagne endet mit einer Katastrophe. Die Beziehung der beiden steht vor dem Aus und ein erneuter Streit treibt den impulsiven Claude zur Weißglut. Er schlägt seine Freundin, steckt sie in sein Cabriolet und fährt wie ein Wahnsinniger los. Wenig später ist ein lauter Schrei zu hören und das Auto stürzt über eine Klippe ins Meer, Marina konnte sich durch einen Sprung aus dem Fahrzeug in letzter Sekunde retten. Sie informiert die Polizei doch die Ermittlungen bringen kein Licht ins Dunkel, denn es ist keine Leiche zu finden. Wenig später taucht Claudes Bruder Serge (Maurice Ronet) auf, der sich um Marina kümmert und sie bei sich aufnimmt. Er fühlt sich zu der attraktiven Frau hingezogen, doch gleichzeitig misstraut er ihr auch, denn sie verstrickt sich immer wieder in unglaubwürdige Aussagen, beteuert aber auch, dass sie sich verfolgt fühle und Angst habe. Als Serge in ihrer Handtasche dann noch ein Revolvermagazin findet, kommt er nur zu einer Schlussfolgerung. Marina hat ihren Bruder ermordet. Serge entschließt sich, den Unfall zu rekonstruieren und als er im versunkenen Autowrack auch noch einen Revolver findet, scheint sich sein Verdacht zu bestätigen. Tage des Psycho-Terrors vergehen bis Serge von der Polizei vorgeladen wird. Eine unkenntliche Leiche wurde angespült...

Autor

Prisma

Review

Regisseur Léonard Keigel wollte laut eigenen Angaben einen Thriller nach Hitchcock-Manier inszenieren, was sich ja schon einmal äußerst ambitioniert anhört. Der Film kam beim Publikum und bei der Kritik jedoch eher verhalten an, und lag mit etwa 500000 Besuchern in Frankreich weit hinter den Erwartungen. Das lag einerseits ganz ohne jeden Zweifel am fertigen Produkt, andererseits aber bestimmt auch an der Tatsache, dass er unmittelbar auf Claude Sautets Großerfolg "Les choses de la vie" folgte, und Romy Schneider sich mit direkten Vergleichen auseinandersetzen musste. Der France Soir schrieb beispielsweise 1970: »Bleibt für den Film nur zu hoffen, dass die Zuschauer ihren Sinn für Logik zu Hause lassen.« Tatsächlich gibt es viele Ungereimtheiten in diesem französisch-italienischen Spielfilm, dennoch ist er insgesamt sehr spannend ausgefallen, und verfügt über hervorragende Schauspieler. "Die Geliebte des Anderen" präsentiert sich insgesamt undurchsichtig, sowohl für die Beteiligten der Handlung, als auch für den Zuschauer, bis sich das Mosaik schließlich zufriedenstellend zusammengefügt und in ein sehr packend inszeniertes Finale mündet.

 

»Der große Trumpf dieser Produktion ist Romy Schneider«, verkündete damals die Zeitung L'aurore, und dieser Einschätzung kann man sich uneingeschränkt anschließen, denn sie wertet das ohnehin unterhaltsame Geschehen mit beachtlicher Präsenz, und atemberaubender Schönheit auf. Romy Schneider verleiht ihrer Marina ein doppeltes Gesicht und es bleibt bis zum Ende nicht klar abzusehen, wer diese undurchsichtige Frau eigentlich ist. Stimmt es was sie behauptet, oder hat sie etwas zu verbergen, verfolgt sie nur einen Plan oder ist sie tatsächlich Opfer eines Komplotts? Es werden viele unterschiedliche Facetten von Marina dargestellt. Sie kann zynisch und genauso gemein werden, unempfindlich und gleichgültig erscheinen, aber genau so liebevoll reagieren, abgebrüht und stark, ängstlich und zerbrechlich wirken. Sobald diese Frau einen sichtbaren Angriffspunk offenbart, folgt schnellstens eine Kehrtwendung. Die Kameraeinstellungen konzentrieren sich auf ihr Gesicht, Romy Schneider dokumentiert jede Geste und jedes Gefühl mit Bravour, sie stellt sich mühelos auf jede Anforderung ein. Das erstaunliche an dieser Person ist, dass sie zwar erhebliche Zweifel schürt, aber den Zuschauer auch stets dazu verleitet, ihr zu vertrauen. Die komplette Konstruktion der Geschichte läuft somit ausschließlich über die Hauptdarstellerin. Eine wie immer verlässliche Angelegenheit.

 

Maurice Ronet und Romy Schneider, die in vier Filmen gemeinsam vor der Kamera standen, bilden ein eingespieltes Team. Serge scheint generell eigentlich wenig über seinen verschwundenen Bruder zu wissen und seine Betroffenheit bleibt zweifelhaft, zumal er auch noch eine Affäre mit Marina beginnt. Seine Zweifel und das Misstrauen wirken zwar berechtigt, hinterlassen aber einen relativ unmotivierten Eindruck. Doch die Faszination um Marina lässt ihn keinen klaren Gedanken fassen, sie wird zur gefährlichen Versuchung. Maurice Ronet arbeitet dieses permanente Hin und Her selbstsicher heraus. Die Finessen entstehen in den Anlegungen der Rollen, da auch der Zuschauer zwischen Sympathie und Zweifeln abwägen muss. Serge setzt Marina, die vermeintliche Sympathieträgerin, immer massiver unter Druck, stößt dabei allerdings auch auf Verständnis. Als seinen Bruder sieht man Gabriele Tinti in einer kurzen Rolle, die er aber beim Herausarbeiten seiner niederen Charakterzüge prägnant in Szene setzen konnte. Und da wäre noch die oberflächlich, aber sympathisch wirkende Simone Bach, die die Verflossene von Maurice Ronet spielt. Ihr größtes Vergnügen besteht eigentlich darin, Serge zu ärgern und ihm leichte Stiche zu versetzen. Außerdem nimmt sie sich der mysteriösen Geliebten des Anderen an. In dieser Dreiecks-Konstellation entstehen ansatzweise auch die einzigen Passagen, die mit Humor angereichert wurden.

 

Insgesamt hat die Regie es schon geschafft, sich eingehend mit dem "Qui?" auseinanderzusetzen, dabei entstanden ist jedoch bestimmt kein Meilenstein des Genre-Kinos. "Die Geliebte des Anderen" verlässt sich ungünstigerweise viel zu häufig auf eine Art Zufalls-Prinzip und viele dieser Zufälle sind einfach nicht besonders wahrscheinlich, geschweige denn logisch. Daher wirkt die zugegebenermaßen recht spannende Handlung streckenweise zu sehr konstruiert und diese Kritik muss sich ein angeblicher Hitchcock-Anwärter schon gefallen lassen. Handwerklich gesehen ist der Film sehr gut gelungen, und der hauptsächlich einstimmigen Meinung, dass Romy Schneider hier die optimale Lösung vieler Probleme darstellt, ist zuzustimmen. Besonders hochwertig sind zum Beispiel die hervorragend gefilmten Verfolgungsszenen, als Kontrast zu langsamer geratenen Passagen steht ansehnliche Action. Auch das Geheimnisvolle wurde berücksichtigt und ansehnlich herausgearbeitet. Plötzlich auftauchende Schatten, die genau so schnell wieder verschwinden, oder ein Auge, das durch Marinas Schlüsselloch sieht und sie in Angst versetzt. Diese gelungenen Finessen (und Grundvoraussetzungen für einen derartigen Film) tun dem Geschehen sehr gut. Trotzdem bleibt ein empfunden unentschlossenes Profil zurück, welches vom Finale nochmals deutlich charakterisiert wird. Als große Leckerbissen sind noch die Musik von Claude Bolling und die schönen Unterwasseraufnahmen zu erwähnen. Es bleibt ein solide aufgebauter Thriller, der weniger unentschlossen zurück lässt, denn einige raffiniert gestrickte Inhalte und das beachtliche Schauspiel garantieren einen hohen Unterhaltungswert.

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Prisma

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